Thema: Filmklassiker
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Alt 11.07.2023, 06:21   #1359  
Peter L. Opmann
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Da wir uns zuletzt ein wenig Horrorfilmen zugewandt haben, habe ich für die nächste Besprechung „The little Shop of Horrors“ (1960) von Roger Corman ausgesucht. Und unversehens bin ich wieder bei einem Kultfilm gelandet, der ebenso wie „The Blues Brothers“ diesen Namen wirklich verdient hat. Er wurde als B-Picture zusammen mit Mario Bavas „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ eingesetzt. Als die Kinobetreiber merkten, daß die Zuschauer eher wegen dem „Horrorladen“ kamen, wurde auf den Billboards hauptsächlich für dieses Werk geworben. Ich habe gelesen, Cormans Film sei 1960 das gewesen, was 15 Jahre später die „Rocky Horror Picture Show“ war – Kult eben. Diese Erfahrung konnte aber bei uns nicht gemacht werden. Unter dem Titel „Kleiner Laden voller Schrecken“ war der Film erstmals 1978 im Fernsehen. Der gängige deutsche Titel ist „Der kleine Horrorladen“. Die DVD kehrt zum Originaltitel zurück und versucht, Jack Nicholson als Star des Films zu verkaufen; er war damals 23 Jahre alt und hatte nur eine kleine Nebenrolle.

Man versucht, in den Film eine Menge Bedeutungen hineinzulesen. Ich glaube jedoch, dies ist einfach eine Farce – nicht mal unbedingt eine Parodie auf damals übliche Horrorfilme. Gekostet hat er um die 30 000 Dollar. Die Dreharbeiten scheinen den Schauspielern und der Crew viel Spaß gemacht zu haben, was man dem Film auch anmerkt. Da ist es sinnvoll, auf die Entstehungsgeschichte einzugehen: Die Kulissen seines Films „Das Vermächtnis des Professor Bondi“ standen noch zwei Wochen, und Corman erklärte, in dieser Zeit könne er darin einen weiteren Film drehen. Innerhalb der beiden Wochen wurde das Drehbuch entwickelt, geprobt und gedreht. Alle Mitwirkenden empfanden diesen Druck offenbar als anregend. Zunächst sollte es wohl ein Detektivfilm werden, aber dann entschied man sich für eine Gruselkomödie. Ob der Cast schon zur Verfügung stand oder erst verpflichtet werden mußte, entzieht sich meiner Kenntnis. Gedreht wurde jedenfalls laut wikipedia an zwei Tagen und in der Nacht dazwischen. Der Film ist allerdings nur 71 Minuten lang.

Kurz zur Handlung: Jonathan Haze hat einen Hilfsjob in einem kleinen Blumenladen; er läßt die Kassen klingeln, als er eine seltsam aussehende Pflanze züchtet, die Massen von Ladenbesuchern sehen wollen. Haze entdeckt durch Zufall, daß sich die Pflanze von Menschenfleisch und –blut ernährt, und hält das zunächst eine ganze Weile geheim. Jede Nacht sucht er Opfer, mit denen er die stets hungrige Pflanze füttern kann. Erst kommt ihm Ladenbesitzer Mel Welles auf die Schliche, dann interessiert sich auch die Polizei für die Vorgänge in dem Laden. Als erfolgreicher Züchter genießt Haze die Bewunderung seiner Kollegin Jackie Joseph, aber am Ende verläßt sie ihn, weil die Pflanze mehr und mehr von seinem Leben Besitz ergreift. Der Film hat eine halbwegs sinnvolle Auflösung: Die Pflanze entwickelt Blüten, in denen die Gesichter ihrer Opfer zu sehen sind. Damit wird für jeden offensichtlich, was für eine fleischfressende Pflanze das ist. Haze versucht noch, sie loszuwerden, endet aber ebenfalls als Gesichtsabdruck in einer Blüte.

„The little Shop of Horrors“ ist so gruselig, wie das 1960 wohl möglich war. (Das heißt, heute haut das niemanden mehr vom Hocker.) Die Pflanze besteht übrigens nur aus zwei Klappen, die sich wie ein Schlund öffnen und schließen – und sie spricht (im Original) mit der Stimme des Drehbuchautors Charles Griffith. („Füttere mich! Füttere mich!“) Der schwarze Humor funktioniert dagegen auch heute noch. Er lebt hauptsächlich von den vielen skurrilen, oft leicht beschränkten Figuren, die den Film bevölkern. Normal ist hier eigentlich niemand. Und auch die Nebenrollen (siehe Jack Nicholson als schmerzliebender Zahnarzt-Patient) werden hingebungsvoll ausgespielt. Daher ist der Film noch immer sehenswert. Auch er ist inzwischen public domain.
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