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Alt 23.07.2016, 15:21   #106  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Stefanie Grossmann (NDR.de) hat Wolf Roth (heute 72), den Assistenten von Kommissar Finke zum Thema Tatort gestern und heute interviewt. Seine Einschätzung läßt tief blicken, hier einige prägnante Zitate.
Zitat:
Die Ermittler treten erst nach 30 Minuten auf - diese Dramaturgie wäre heute undenkbar, oder?

Roth: Ich weiß nicht, ob das undenkbar ist. Es ist immer eine Frage der Machart. Wenn etwas dramaturgisch richtig aufgebaut ist, bleibt der Zuschauer dran, wenn nicht, zappt er weiter. Da hat sich das Verhalten des Zuschauers in den vergangenen 40 Jahren nicht verändert.

(...)

Wie war die Atmosphäre bei den Dreharbeiten Anfang der 70er-Jahre?

Roth: Wir konnten mehr tüfteln, weil wir mehr Zeit hatten. Wenn heute ein Tatort in 20 bis 22 Drehtagen realisiert werden muss, drängt die Zeit und es kann dadurch weniger probiert werden. Früher hatten wir den "Probe-Luxus". Zum Beispiel wurden die Beleuchtungspausen genutzt - die länger gedauert haben - um an der nächsten Szene zu arbeiten. Das hat das Level der Konzentration aller Beteiligten hochgehalten.

Wie viele Drehtage hatten Sie damals?

Roth: Ich kann es nicht mehr genau sagen, aber es müssten zwischen 28 und 30 gewesen sein.

(...)

Roth: Der Tatort ist inflationär geworden, es gibt heute zu viele auf dem Markt. Er hat somit seinen Stellenwert verloren. Früher war der Tatort noch etwas Besonderes, weil er nicht laufend und auf allen Sendern präsent war. Einzig der Münsteraner Tatort sticht für mich heraus, weil er mich mit seinen spannenden und gut geschriebenen Charakteren an die Petersen-Tatorte erinnert. Früher gab es maximal zwei Tatorte in einem Jahr - und das waren natürlich die Highlights.

(...)

Mittlerweile wird ein richtiger Hype um die Tatort-Darsteller gemacht, wie etwa beim Tatort mit Til Schweiger aus Hamburg. Was denken Sie darüber?

Roth: Ich finde das für die heutige Zeit richtig. Ich glaube, man muss diesen Hype machen, damit die Leute überhaupt noch einschalten. Das hat sich im Vergleich zu früher total geändert. Wir hatten mit ARD und ZDF zwei große Sender und dann gab es noch die dritten Programme. Heute haben wir zig Programme, und um da bestehen zu können, muss man eine ungeheure Werbemaschinerie anfahren.
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