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Alt 23.08.2014, 08:41   #90  
74basti
Moderator Sekundärliteratur
 
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Ort: Höxter
Beiträge: 10.057
CSSI # 181
Titel: Morella
Farbe: Vierfarbig
Seitenzahl: 10 Seiten
Text: Richard Corben, Edgar Allan Poe
Originalveröffentlichung: Morella and the Murders in the Rue Morgue
Verlag: Dark Horse
Erschienen: Juni 2014
Coverpreis: USD 3,99
Deutsche Veröffentlichung: Keine



Inhalt:
Myron wirft wütend einen Stein von einer Klippe ins Meer. Er ist verärgert über seine Hass-Liebe zu seiner Frau Morella. Diese gleitet immer mehr ab in eine esoterische Welt. Beschwörungsformeln murmelnd steht sie vor einem Pentagramm in ihrer Bibliothek, als Myron ihr eröffnet, dass er sich scheiden lassen wolle. Sie schmeisst ihn raus und greift sich ein altes Buch, um nach einem narrensicheren Weg zu suchen, dies zu verhindern.
Plötzlich verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand. Sie werde sterben, teilt sie ihrem Mann mit. doch sie werde ihm ihre tochter Orella schicken. Er werde sie mehr lieben als sie.
Als Morella zu Grabe getragen wird, erreicht Orella das Haus. sie sieht ihrer mutter so ähnlich, dass sich Myron in die verliebt und in sein Bett aufnimmt.
Als der Richter und der Pfarrer ihm einen Besuch abstatten, betritt auch Orella den Raum. Beide sind über ihre Anwesenheit überrascht und bitten Myron, sie vorzustellen. "It´s uh ... Morella", antwortet er. Als er den Namen MORELLA ausspricht, altert (M)Orella rapide und verwandelt sich in eine Mumie. Myron rennt zur Gruft. Sie ist leer. Mit der Toten auf dem Arm stürtzt er sich von der Klippe.



Bemerkung:
Poes Erzählung erscheint 1835. Im Gegensatz zu Corbens Adaption schenkt Morella in der Stunde ihres Todes dem Mädchen das Leben. Sie wird nicht getauft und wird ihrer Mutter immer ähnlicher. Als sie 10 Jahre alt ist, nennt der Erzähler der Geschichte sie "Morella". Als sie den Namen höört, antwortet sie "Hier bin ich" und stirbt. Der "Vater" bringt den Leichnam des Kindes in die Gruft, doch das Grab der Mutter ist leer.
Zu Deutung heisst es bei wikipedia:

Zitat:
Die Erzählung beschreibt das verstörende Wiedererstehen einer Identität in einer anderen, und zwar in einem Maße, das über die (genetisch bedingte) Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter hinausgeht: Die Mutter i s t die Tochter. Warum Poe diese Geschichte nicht nur geschickt und effektsicher komponierte, warum er sie schreiben musste, ergibt sich wohl nur aus seiner Biographie. Während er sie schrieb, saß seine 10-jährige Cousine Virginia Clemm neben ihm und erschien ihm, dem früh Verwaisten, als Reinkarnation seiner früh verstorbenen Mutter, der Schauspielerin Elizabeth Poe, der ersten Morella, die er liebte mit einer Liebe, die geschlechtliche Liebe nicht sein durfte, weshalb sie sich in Hass verkehrt.

Wie freilich ohne geschlechtliche Liebe die erste Morella vom Ich-Erzähler schwanger geworden sein soll, ist ein Geheimnis, das dieser (und Poe) für sich behält. Freilich stützt dieser Haken des Plots wiederum die absolute Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter, denn die letztere wirkt wie durch Parthenogenese erzeugt, um nicht zu sagen: wie geklont.

In Morella spiegelt sich auf einer anderen Bedeutungsebene ebenso das philosophische Verhältnis Poes zum deutschen Idealismus. Der Ich-Erzähler betont ausdrücklich, dass die in Preßburg geborene Morella ihn mit den „mystischen Schriften“ der deutschen Philosophen vertraut gemacht hat, vor allem mit dem Pantheismus Fichtes und der Identitätslehre Schellings. Zunächst versucht der Erzähler jedoch, sich aus den „verworrenen Gefilde[n] ihrer Gedankenwelt“ zu lösen, kann indes nicht verhindern, dass „aus der Asche einer toten Philosophie einige düstere, tiefgründige Worte aufglimmen“, deren sonderbarer Sinn sich seinem Gedächtnis einbrennt. Er hat Morella nie geliebt; seine Entfremdung beginnt am ersten Tag ihrer Verbindung, die schließlich zum Tode Morellas führt - und genau diesen Tod hat der Erzähler herbeigesehnt. In Gestalt der gemeinsamen Tochter ersteht Morella nun in der Wahrnehmung und Imagination des Ich-Erzählers nach ihrem Tode unabwendbar wieder wie der Phoenix aus der Asche.
Naja ... lassen wir die Philosophen (die im Original eine Rolle spielen) mal weg. Corben wählt eine mehr mystische und dunklere Interpretation der Story. Wieder einmal spinnt er den Faden mit dem Selbstmord weiter.

"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" - Francisco de Goya 1799

Geändert von 74basti (23.08.2014 um 08:51 Uhr)
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