Thema: Filmklassiker
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Alt 18.10.2022, 07:54   #36  
Peter L. Opmann
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Hier eine Komödie aus den 40er Jahren, die vielleicht auch nicht sehr bekannt ist: „Die unvergessliche Nacht“ („Remember the Night“) von Mitchell Leisen (1940). Ich habe den Eindruck, Mitchell Leisen ist selbst in Vergessenheit geraten, dabei war er damals einer der besten Komödienregisseure. Und man kann sich seine Filme aus den 30er und 40er Jahren heute noch gut angucken (finde ich jedenfalls).

„Remember the Night“ ist zugegeben etwas sentimental, aber der Film trifft bei mir eine Gefühlsebene, so daß ich ihn mir schon mehrmals angesehen habe. Die Hauptrollen spielen Fred MacMurray und Barbara Stanwyck. Sie ist eine Juwelendiebin in New York. Nachdem sie bei ihrem letzten Coup geschnappt worden ist, muß sie vor Gericht, wo sie von MacMurray angeklagt wird. Ihr Verteidiger versucht, die Jury für sie einzunehmen, indem er schildert, wie ihr die Juwelen völlig die Sinne verwirrt haben. Da es kurz vor Weihnachten ist, nutzt MacMurray die Gelegenheit, Stanwyck auf jeden Fall einige Tage hinter Gitter zu bringen, indem er ein psychologisches Gutachten beantragt. Das kann erst nach den Feiertagen erstellt werden; also muß sie in Untersuchungshaft bleiben. Anschließend hat er aber doch Mitleid mit ihr, löst sie wieder aus dem Knast aus und nimmt sie mit zu seiner Mutter und seiner Familie im Mittleren Westen, wo er traditionell die Feiertage verbringt. Es wird klargestellt, daß er das nicht getan hat, um ihr an die Wäsche zu gehen. Da sie keine feste Wohnung hat, erklärt sie sich darauf bereit mitzukommen.

Den Rest des Films kann man kurz zusammenfassen. Stanwyck erlebt ein heimeliges Weihnachtsfest mit einfachen Ländlern (nicht Rednecks), wie sie es als abgebrühte New Yorkerin überhaupt nicht kennt. Als es an die Rückfahrt geht, will Mac Murray sie laufenlassen, aber sie ist zu der Einsicht gekommen, daß sie ihre Strafe verdient hat und sich vom Richter verurteilen lassen muß. Bei der Fortsetzung der Verhandlung agiert MacMurray absichtlich so ungeschickt, daß die Verteidigung den Prozeß gewinnen muß. Schließlich legt sie aber ein Geständnis ab. Nachdem sie ihre Gefängnisstrafe abgesessen hat, werden sie und MacMurray ein Paar sein (hach ja…).

Mir geht der Film wirklich ans Herz, auch durch die Schilderung des einfachen Lebens im Mittleren Westen. Letztlich wird die nicht sehr ungewöhnliche Erkenntnis vermittelt, daß man nicht reich sein muß, um glücklich zu sein. Aber Mitchell Leisen inszeniert das meisterhaft. Mich erinnert sein Stil ein bißchen an Ernst Lubitsch, nur geht es bei ihm nie um Unmoral. Fred Mac Murray ist ein sehr guter All-american Boy, auch wenn er hier Jurist ist. Barbara Stanwyck muß 1940 als äußerst toughe Frau rübergekommen sein, was ja aber ihrem Image voll entspricht. Ich greife immer zu, wenn mir ein Stanwyck-Film in die Finger kommt – und ich bin bisher noch nicht enttäuscht worden.
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