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Alt 07.06.2018, 09:53   #99  
Servalan
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Holocaust - The Story of the Family Weiss | Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss 1 Staffel 4 Episoden (USA 1978, Robert Berger für NBC), Drehbuch. Gerald Green, Regie: Marvin J. Chomsky, 419 min, FSK: 12

Obwohl die Kritik die Serie für das historische Thema der Shoah zu trivial fand, schrieb die Miniserie Fernsehgeschichte und erreichte Einschaltqupten von bis zu 49 Prozent in den USA.
Regisseur Marvin J. Chomsky* hatte sich bei der Literaturverfilmung Roots nach Alex Haley bewährt, weshalb ihm nach Kunta Kinte das Schicksal der fiktiven jüdischen Arztfamilie Weiss anvertraut wurde.

Die Kontroverse ähnelte der Diskussion um Comics im allgemeinen und Art Spiegelmans Maus im Besonderen. Allerdings hat sich der Comic wesentlich besser gehalten.
Green und Chomsky bewältigen einen ungewöhnlich vielfältigen Stoff, gehen dabei jedoch ziemlich altmodisch vor. Jedes Familienmitglied wird auf diese Weise zum Stellvertreter für bestimmte Lebensläufe, im Gegenzug nehmen die Figuren an Schlüsselereignissen der Shoah teil. Im Rückblick wirkt das steif und didaktisch.

Die Serie beginnt (wie The Godfather | Der Pate) mit einer imposanten Hochzeitsfeier, wodurch etliche Figuren vorgestellt werden. Der älteste Sohn, Karl Weiss, ehelicht 1935 die Christin Inga Helms-Weiss, seine Muse, die er nach Rembrandts Ehefrau "meine Saskia" nennt.
1938 hat er sein Atelier in der Wohnung seiner Schwiegereltern und nennt sich selbst einen Gebrauchsgrafiker, der gern der neue Picasso sein will. Eines Tages wird er verhaftet und nach Buchenwald verschleppt. Dort näht er in der Schneiderei Aufnäher auf den Drillich. Nach einem Streit um ein Brot wird er zunächst am Marterpfahl aufgehängt und dann in den Steinbruch versetzt.
Seine Frau Inga möchte den Kontakt aufrechterhalten. Angewidert geht sie auf das Angebot des SS-Mannes Müller ein, ihm Briefe schreiben zu dürfen, wofür sie sich Müller als Gegenleistung hingeben muß. Müller rettet Karl vor dem Verrecken im Steinbruch und läßt ihn in die Kunstabteilung versetzen.
1942 wird Karl nach Theresienstadt verlegt, ein Potemkin'sches Dorf, mit dem internationale Besucher wie die Inspektoren des Roten Kreuzes eingelullt werden. Im Kunstatelier entstehen dort idyllische Propagandabilder, die Karl verabscheut. Seine Mithäftlinge Maria Karlova, Emil Frey aus Prag und der nierenkranke Pfälzer aus Karlsruhe dokumentieren die Greueltaten heimlich in Schwarzweißzeichnungen, die Frey ironisch als "KZ-Expressionismus" bezeichnet.


Die fiktive Figur Karl Weiss wurde nach dem deutschen Maler, Grafiker, Zeichner und Karikaturisten Leo Haas (1901 - 1983) gestaltet. Haas wurde rechtzeitig von amerikanischen Truppen befreit und überlebte so die Verfolgung.
In Theresienstadt dokumentierte er das Verbrechen, indem er sich der Gruppe der Maler von Theresienstadt um Bedřich Fritta aus Prag anschloß. Später gehörte er zum Fälscherkommando im KZ Sachsenhausen, wo er britische Briefmarken fälschte.
Nach dem Krieg lebte Haas in Ost-Berlin, wo er für die Tagezeitung Neues Deutschland, das Satiremagazin Eulenspiegel und andere Presseerzeugnisse tätig war. Zu seinem 70. Geburtstag entstand der DEFA-Dokumentarfilm Zeichner – Zeuge – Zeitgenosse (DDR 1971, Drehbuch und Regie: Jörg d‘Bomba, 13 min).

*Marvin J. Chomsky ist ein Cousin des Philosophen, Linguisten, Soziologen und politischen Aktivisten Noam Chomsky.

Geändert von Servalan (24.03.2024 um 11:31 Uhr)
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