Thema: Pecos Bill
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 30.04.2012, 21:45   #31  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
Benutzerbild von Detlef Lorenz
 
Ort: Ahrensburg
Beiträge: 3.490

Pecos Bill
der Comic

von Detlef Lorenz


In den folgenden Abschnitten werde ich nun die einzelnen Pecos Bill Comicserien vorstellen, wobei das Hauptaugenmerk natürlich auf die Reihe des Mondial Verlages ruht. Dieser hat nicht nur die meisten Hefte auf Deutsch herausgebracht, sondern auch – größtenteils – in hervorragender Qualität, die selbst die italienischen Originale nicht erreichen. Ursprünglich wollte ich nur über die deutschen Comics schreiben, denn Gerhardt Förster gräbt ja die „italienischen Wurzeln“ aus; in der Sprechblase will er dann den Original Comic Pecos Bill mit den deutschsprachigen Veröffentlichungen vergleichen. Für mich erwies sich dieses Vorhaben allerdings als nicht praktikabel, denn Informationen aus Italien benötigte ich schon, ansonsten würde ich viel öfter Fragen aufwerfen, als hier klärend zu erläutern.

Dankenswerterweise, wie eingangs erwähnt, verschaffte mir Peter Pohl aus Wien viel Wissenswertes aus Italien. Bei einem Besuch hier in Hamburg brachte er einige der sehr seltenen und schwer zu bekommenden Pecos Bill Originalhefte mit. Darunter das erste Heft und die letzte Ausgabe der dritten und letzten Serie von Mondadori mit, das bei mir für einige Verwirrung sorgte, aber dazu später mehr.

Über die verschiedenen Zeichner, die am Pecos Bill mitwirkten, hat Gerhard sicherlich eine perfekte Übersicht zusammengestellt – die er auch auf die deutschen Heftausgaben übertragen wird – so dass ich mir hierzu Angaben ersparen kann.



Links sehen wir die erste Ausgabe der Originalserie vom Mondadori Verlag aus Italien, rechts daneben das erste Heft vom Mondial Verlag. Das Motiv ist identisch; ich finde das italienische Cover aber gelungener, das Siegel des Staates von Texas links oben zeigt mehr her und der Hinweis auf den legendenhaften Charakter von Pecos Bill deutet gleich den mythischen Touch der Serie an.

Pecos Bill ist eine Westerngeschichte, was auch sonst wird man sich denken: die Story findet ihren Anfang 1849, also nur fünf Jahre nach dem Beitritt des „Lone Star State“ zur USA (und einhundert Jahre bevor in Italien das erste Heft zur Serie heraus kam). Es ist eine Zeit des Aufbruchs, des Aufbaus, die Rinderzucht entwickelt sich zum größten Arbeitgeber, Einwanderer strömen ins Land, der Beginn der Abschiebung der Indianer in die Reservationen beginnt, Banditen machen sich breit, die Baumwollindustrie und die Sklavenhaltung erlebt ihre erste Blüte, mit anderen Worten: es ist eine unruhige Zeit, die tapfere Männer benötigt, die Schwachen und die Interessen des Kapitals zu schützen und um Gesetz und Ordnung durchzusetzen.



Klassische Westernszenarien also, die ihren Niederschlag auch in der Pecos Bill Serie finden – und trotzdem ist sie dem Wesen nach mehr eine romantische Liebesgeschichte vor einem Wild West Hintergrund. Das Kennenlernen, erste zarte Bande, Liebe, Sehnsucht nach dem/der Liebsten und der Heimat, Treue, Familienleben Kinder bekommen (hier nur eins), Tod und Tränen … das ist Pecos Bill!

Auch das Buch „Pecos Bill, der größte Cowboy aller Zeiten“ beinhaltet diese Zutaten, aber mehr in derber Form, die Autoren der Comicserie formten daraus eine gefühlsbetonte, sentimentale Geschichte. Typisch italienisch!? Durchaus und das sehe ich im positiven Sinne. Denn um nichts anderes geht es doch auch im realen Leben: Zuneigung, sich Wohlfühlen im trauten Kreis, Familie, wem schwebt dies nicht vor und wer hat die oben geschilderten Emotionen nicht schon selbst durchlebt –




Die obere Abbildung ist aus dem Heft 1von Mondial und bietet in einem Bild gleich mehrere Merkmale der Serie: Pecos Bill befreit Mary Morgan aus der Gewalt eines Banditen, er bekämpft also das Böse und auch später ist er in Sachen „Befreiung“ unterwegs; er benutzt dazu nur sein Lasso und das ist Pecos einzige Waffe, denn man kann an ihm keinen Revolvergurt sehen – er hat keinen. Das große Einleitungsbild vom Heft Nr. 8, (Splashpanel als Begriff kannte in den Fünfzigern niemand) zeigt dem Leser eine Baumwollplantage, auf der die Sklaven schuften. Unter ihnen ist auch Weiße Feder, der indianische Freund Pecos Bills.

In vielen Szenen sieht der Leser Pecos Bill und Klein Mary – seine reale Liebe auf der Erde und nicht das irreale Geschöpf Meg Leichtfuß (1) auf dem Mond – verträumt über die weiten Ebenen schauen und sich zurück ins Herz von Texas zu sehnen, wenn ihre Abenteuer sie mal wieder außerhalb von Texas geführt haben. „Tief ins Herz von Texas“ wird regelrecht zum Trauma der beiden Verliebten, denn das Schicksal hat anderes mit ihnen vor – aber dazu später mehr.

Deep in the heart of Texas“, dieses texanische Traditional, ist die Sehnsuchtsmelodie des Liebespaares; sie fühlen um die Unerfüllbarkeit ihres Wunsches und das nicht nur, weil Pecos Bill stets den Vollmond anstarrt und hofft, Meg Leichtfuß zu sehen, denn herunter wird sie wohl nie mehr kommen – und Mary Morgan ist mit diesem Arrangement anscheinend einverstanden, denn nie kommt ein böses Wort auf ihre Konkurrentin im Geiste über ihre Lippen.



Pecos Bill erzählt Mary Morgan im Heft 3 von Meg Leichtfuß, aber diese weis bereits von der Sehnsucht ihres Helden – und akzeptiert es, bzw. ignoriert es, denn eine Konkurrentin auf dem Mond ist keine richtige Gefahr.
Erstes tastendes Kennenlernen im Heft 4, unteres Bild. Sie erzählen sich aus ihrem Leben, ihren Träumen und zarte Liebesgefühle sprießen.

In der Romanvorlage schrammte die Verlobte des Texashelden, Slue Foot Sue, nur knapp am Mond vorbei und kam wieder nach Texas zurück (siehe: „Die Legende“), die Italiener beschlossen, sie dort zu lassen. Sie war ihnen wohl zu aufsässig, für eine Frau zu selbstbewusst?(2) Stattdessen fügten sie die Figur der braven treuen Sue Morgan ein, bei Mondial Mary Morgan und ließen doch ihren Pecos Bill ständig von seiner Meg Leichtfuß träumen, die vom Mond sehnsüchtig auf ihn herabblickt – hofft er jedenfalls. Dies tat er sogar noch, als er Klein-Mary Nächtens im Arm hält und mit ihr zum Vollmond aufschaut und dabei von seiner Mond-Meg schwafelt. Statt verstimmt weg zu rennen schmiegt sich Mary dann noch enger an ihn - wohlwissend, dass der Mond weit, weit entfernt ist ...



Endlich wacht Pecos Bill auf und erkennt, das seine einzige und reale Liebe nicht auf dem Mond zu finden ist, sondern in den Armen von Mary Morgan. Und diese Erkenntnis hat bei ihm immerhin bis zum Heft 33 gedauert.
Pecos Bill und Mary Morgan träumen von ihrer Heimkehr nach Texas, von der Prärie, den Blumen und Gräsern, vom Wind und den Coyoten: sie träumen mit dem Cowboylied „Tief im Herzen von Texas“ auf den Lippen.(3)

Während ich dies schreibe, habe ich mir zur Einstimmung Country- und Western-LPs rausgesucht und auf den Plattenteller gelegt. Meine Version von „Deep in the Heart of Texas“ ist die von den Ray Conniff – Singers. Die bekannteste Aufnahme stammt wohl von Gene Autry, gesungen im Film „Heart of Rio Grande“ (1942). Aber auch Perry Como (Ersteinspielung), Tex Ritter und Ray Charles haben es in ihrem Repertoire.

So viel, wie ich von diesem Lied erzähle, wird es Zeit, hier zumindest den Text vorzustellen. Er erzählt von den Sternen über Texas und von der Weite des texanischen Himmels, vom Duft der Sagebusch-Blüte, den Cowboys auf der Weide und den Coyoten – die den kleinen Pecos Bill in ihrer Mitte aufgenommen hatten und somit ist der Kreis geschlossen und alles fügt sich zusammen:

The stars at night, are big and bright,
deep in the heart of Texas,
The prairie sky is wide and high,
deep in the heart of Texas.
The sage in bloom is like perfume,
deep in the heart of Texas,
Reminds me of, the one I love,
deep in the heart of Texas.

The coyotes wail, along the trail,
deep in the heart of Texas,
The rabbits rush, around the brush,
deep in the heart of Texas
The cowboys cry, "Ki-yip-pee-yi,"
deep in the heart of Texas.
The doggies bawl, and bawl and bawl,
deep in the heart of Texas.

Dieses Lied war in meiner Kindheit einer meiner Lieblingsschlager, neben „The Yellow Rose of Texas“ – wenn schon, denn schon und dann richtig.

Diese Zeilen als Einleitung sind extra von mir gewählt, als Warnung sozusagen, damit mir später niemand gram sein kann, wenn er statt einer Geschichte von harten Westernhelden, von Cowboys und Indianern, von der Kavallerie und von Büffeln, Kühen und Banditen hier nur über Liebe, Sehnsucht, Kinder und Heimatgefühle gelesen hat.

(1)Meg Leichtfuß (Lightfoot): „Leichtsinnig“, dem Sinn nach durchaus mit Sluefoot Sue aus dem Buch vergleichbar.
(2)Später fügten sie mit der Figur der Calamity Jane eine energische, mit Colts bewaffnete Frauenfigur ein. Diese war übrigens historisch und wurde in einem Westernfilm von Doris Day verkörpert.
(3)Okay, das Lied wurde erst rund neunzig Jahre später, 1941, eingespielt, aber wahrscheinlich kursierte es bereits in den Zeiten der alten Cowboys in Texas – wundern würde es mich nicht.
Fortsetzung folgt …

Geändert von Lothar (03.05.2012 um 12:29 Uhr)
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten