Thema: Filmklassiker
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Alt 16.10.2022, 16:41   #27  
Peter L. Opmann
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Nachdem ich zielsicher auf den Slapstick zugesteuert bin, möchte ich meine Liebe zu Laurel und Hardy gestehen. Dieses Comedy-Paar habe ich als Kind im Fernsehen gesehen („Zwei Herren Dick und Doof“ und ähnliche TV-Serien im ZDF), später auch im Kino, und schließlich bin ich einem Mitarbeiter von Kirch Media begegnet, der dort die Aufgabe hatte, das Gesamtwerk von Laurel und Hardy zu überarbeiten und für eine DVD-Reihe aufzupolieren. Ich muß sagen, in jedem Alter haben mich Stan und Ollie auf andere Weise angesprochen, aber sie hatten mir immer etwas zu sagen. In der Zeit, als sie die Filme gemacht haben, hatten sie zwar bereits Riesenerfolg, aber niemand glaubte, darin könnte mehr als Blödelei stecken.

Zuerst habe ich überlegt, etwas über „Fra Diavolo“ zu schreiben, die Filmfassung einer komischen Oper aus Frankreich, die Produzent Hal Roach selbst inszeniert hat. Obwohl das ein wirklich guter Laurel-und-Hardy-Film ist, hat er doch den Nachteil, daß die komische Oper arg in den Hintergrund gedrängt ist (Theo Lingen sagte freilich, das sei die einzige komische Fassung dieser komischen Oper, die er kenne). Aber ich finde doch, die Stärke von Laurel und Hardy lag eher in Kurzfilmen, und so habe ich mich für den Tworeeler „Gelächter in der Nacht“ („Scram!“) entschieden, der für mich zu ihren besten gehört.

Sie spielen (wie oft) zwei gute Bürger, die etwas heruntergekommen sind. Daher landen sie wegen Landstreicherei vor Gericht. Der Richter wirkt zwar äußerst streng, gibt ihnen aber eine Stunde Zeit, aus der Stadt zu verschwinden. Etwas später sehen wir sie, wie sie bei strömendem Regen versuchen, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Dabei kommt ihnen aber ein Betrunkener (offenbar Mitglied der besseren Gesellschaft) in die Quere, der seinen Autoschlüssel verloren hat. Mit großer Mühe fischen sie den Schlüssel aus einem vergitterten Schacht und bieten dem hilflosen Mann an, ihn nach Hause zu fahren. Dort angekommen, paßt freilich der Hausschlüssel nicht. Also helfen sie ihm wegen des noch immer strömenden Regens, in seine Wohnung einzubrechen. Dafür dürfen sie, erklärt er großzügig, bei ihm übernachten.

Er hat noch reichlich Schnaps bei sich, den er in eine Wasserkaraffe schüttet. Dann wird er aber von der Dame des Hauses hinausgeworfen – offenbar hat er sich in der Tür geirrt. Stan und Ollie treiben sich in Pyjamas im Flur herum. Die Frau, die von ihnen nichts weiß, fällt vor Schreck in Ohnmacht. Ollie bringt sie mit einem kräftigen Schluck aus der Karaffe wieder zu sich, nicht ahnend, daß er sie betrunken gemacht hat. Die Dame reagiert unerwartet: Sie will nun mit ihren Gästen tanzen und sie necken. Stan und Ollie machen nur äußerst widerwillig mit, meinen aber, sie müssten ihrer Gastgeberin den Gefallen tun. Am Ende wälzen sie sich in ihrem Bett herum und lachen hemmungslos. Da kommt der Ehemann nach Hause, nicht der Betrunkene, sondern der Richter, der sie schon beinahe eingesperrt hätte. Er blickt nun so, als würde er sie sofort auf den elektrischen Stuhl schicken. Stan löscht voll Angst das Licht – man hört noch laute Kampfgeräusche…

Inszeniert hat diesen Film Raymond McCarey, Bruder des bekannteren Komödienregisseurs Leo McCarey. Richard Cramer spielt den Richter, Vivien Oakland seine Frau und Arthur Housman den Betrunkenen. Das Ganze wirkt tatsächlich wie ein sinnloser Klamauk, aber ich denke, es ist eine allgemeine Erfahrung, daß man die besten Absichten hatte und doch in eine peinliche oder verfängliche Situation gerät, in der man sich bis auf die Knochen blamiert. Die Komik bei Laurel und Hardy erwächst auch oft daraus, daß sie wie zwei Kinder agieren, die die Erwachsenenwelt nicht verstehen können. Wenn sie verheiratet sind, wirken sie meist eher wie die Kinder ihrer Ehefrauen (besonders im legendären Langfilm „Söhne der Wüste“). Ich finde es immer erstaunlich, wie das Team es schaffte, Filmteile, die kaum etwas miteinander zu tun hatten, zusammenzufügen – hier die Suche nach dem Schlüssel, der Einbruch ins Haus und die „Orgie“ mit der Frau des Richters. Man spricht davon, daß Gags „gemolken“ (also bis ins Letzte ausgespielt) wurden. Nur eine Spezialität von Laurel und Hardy kommt hier nicht vor: der Slowburn (siehe etwa den Kurzfilm „Big Business“). Eigentlich könnte ich hier über mindestens 20 geniale Laurel-und-Hardy-Filme schreiben.
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