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Alt 24.03.2011, 16:56   #72  
Servalan
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Standard Johnny Red

Tom Tully (Szenario) und Pete Colquhoun (Zeichnungen): Johnny Red: Falcon's First Flight (Titan UK)
Pete Colquhoun ist der Zeichner von Charley's War, von der inzwischen acht Reprints bei Titan UK vorliegen (auf dem Niveau einer gut gemachten Werkausgabe). Zu seinem Hauptwerk gehört daneben der Fußballcomic Roy of the Rovers für das Comicmagazin Tiger. Während sich Charley's War dem Ersten Weltkrieg aus der Sicht eines einfachen Soldaten widmet, dreht sich der Fliegercomic Johnny Red um Luftkämpfe an der Ostfront. Die erste der drei bis vier Seiten langen Geschichten erschien im Januar 1977 in der 100. Ausgabe des Magazins Battle von IPC, die gegen das Magazin Warlord ihres Konkurrenzverlages DC Thomson konzipiert war.
Mehr als 35 Jahre hat es gedauert, bis die schwarzweißen Geschichten im schmucken Reprint wieder zugänglich gemacht wurden. Durch die Druckqualität wird deutlich, daß die Originalzeichnungen nicht mehr vorlagen, sondern alte Heftseiten digital restauriert nachgedruckt wurden: In der Nähe der Falz verklumpen die Buchstaben leicht. Ein weiterer Grund für das Zögern (trotz einer Fanbasis innerhalb der britischen Comicfans, zu der auch Garth Ennis gehört) dürfte in der geringeren Qualität von Tom Tully liegen, der aus meiner Perspektive nicht das Niveau eines Pat Mills oder Peter O'Donnell erreicht. Das schlägt sich sichtbar in der Hauptfigur nieder: Der hitzköpfige, sture 19jährige Johnny Redburn aus der Liverpool, der allzu gerne losprügelt, wirkt auf mich deutlich naiver und unerwachsener als der (zu Beginn) 16jährige Stallknecht Charley Bourne aus London.
Johnny Red hat sich seine Karriere bei seiner Ausbildung zum Piloten verbockt, als er bei einer Auseinandersetzung mit seinem Ausbilder Lieutenant Collier aneinander gerät und ihn so unglücklich erwischt, daß der sich das Genick bricht. Fortan darf er Dienst bei der Handelsmarine tun; auf einer Fahrt mit Nachschub nach Murmansk wird das Schiff 1941 in der Barentssee angegriffen. Als der Pilot der Hurricane, einem besseren Sportflugzeug, das mit einem Katapult gestartet wird, erschossen wird, nutzt er seine Chance und wird zum Ritter der Lüfte. Nach seinem erfolgreichen Kampf, gerät er ins Dilemma, denn auf dem Handelsschiff kann er nicht mehr landen und eine Notwasserung im polaren Meer wäre auch tödlich. Also fliegt er Richtung Rußland und hofft, daß der Sprit reicht. Dabei trifft er auf ein aufgegebenes russisches Geschwader, die Falken, das durch ihn zu neuer Hochform aufläuft. Weil er eigentlich Kriegsgerät gestohlen hat, weiß er, daß ihm im Vereinigten Königreich Militärgefängnis droht; allerdings sitzen ihm in der russischen Front die Politkommissare des Militärgeheimdienstes NKWD im Nacken, die ziemlich rasch auch die eigenen Leute standrechtlich erschießen lassen. In der 2. Hälfte des Bandes verlagert sich der Schwerpunkt auf die Schlacht um Leningrad (Sankt-Petersburg).
Die ersten 40-50 Seiten sind mühsam zu lesen, weil Tully dauernd hochtourig erzählt, während Charakterisierungen und historische Hintergründe vor lauter Action blaß bleiben. Die restlichen zwei Drittel erreichen die Qualität eines guten Charlier-Albums. Colquhoun ist ein Grund, sich weitere Bände zu kaufen. Er setzt das Layout flexibel ein: dichte Erzählungen an Land ergeben fünf oder sechs Panelzeilen, während das Geschehen am Himmel in drei Panelzeilen Raum und Geschwindigkeit gewinnt.

8.8/10.0 (wegen des Anfangs!)
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