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Alt 01.05.2009, 17:00   #1  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard Asien vs. Amerika: Europäische Perspektive

Die Lage der Comics in Europa erinnert mich an die deutschen Duodezfürstentümer nach den Wirren und Schrecken des 30jährigen Krieges. Jeder Hof hat seine Favoriten, aber international sind sie kaum von Belang; Einzelpersonen werden gefeiert, während die Gesamtstrukturen eher vernachlässigbar sind. Was sind denn (auch hierzulande) die Vorbilder? Asiatische Mangas und das Konzept der Graphic Novels; jedenfalls sind das die Themen, mit denen auch das breite Publikum außerhalb unseres familiären Rahmens mit Comics in Berührung kommt. Sobald es um europäische Comics und erst recht um Comicserien geht, finden sich die Werke der alten Garde in den Jubiläumskalenarien der Presse wieder, die turnusmäßig abgearbeitet werden: Die Geburts- oder Todestage von Uderzo, Hergé, Goscinny etc. oder die von Figuren wie den Schlümpfen, Tintin oder Asterix bzw. deren jeweils neu erschienen Alben. Das ist inzwischen Konversationsstoff, der zum guten Ton dazu gehört; ein Reiben an der Materie findet öffentlich nicht mehr statt (und hat hier wohl auch nur in Fachblättern wie Reddition, Sprechblase etc. stattgefunden). Für die nachwachsende Generation sind das öde Feiertage, die abgesessen werden wie Strafen; ästhetische Impulse wie Zeiten der Nouvelle Ligne Claire kommen da jedenfalls nicht heraus, was ich bedauere. Auf lange Sicht wird Europa so zwischen den beiden stärkeren Rivalen Asien (mit Schwerpunkt Japan) und Amerika (USA und Kanada) zermahlen ... heimische Comics fallen zurück wie damals nach dem Ersten Weltkrieg.

Um sich mit Asien und Amerika messen zu können, um mit denen auf Augenhöhe zu kommen, halte ich einen Verbund der europäischen Comickulturen (Bande dessinée, Fumetti, Nouvelle Manga, Tebeos, Stripverhalen etc.) für erforderlich: Das geht meines Erachtens nur in einem polyglotten Netzwerk über b********** Staatsgrenzen hinweg. Soweit ich weiß, läßt sich die EU für ein Projekt melken, wenn genügend Teilnehmer aus verschiedenen Nationen dabei sind. Wir sollten die derzeitige Verbandsgründungseuphorie nutzen, um ein gemeinsames europäisches Netzwerk aufzubauen, was folgendermaßen aussieht:

* Europäischer Dachverband der Comicfestivals / European Circuit of Comic Festivals (ECCF);
* verbindliche Ansprechpartner mit fest umrissenen Kompetenzen;
* Veranstaltung von Fortbildungen: z.B. Seminare für Verwaltungsfachleute als Workshop bei den Festivals (ähnlich den von Paul Derouet veranstalteten Comiczeichnerseminaren in Erlangen)

Wenn es dann mal irgendwo brennt, steht nämlich eine ausgebildete Feuerwehr bereit; jetzt hingegen sehe ich bloß Ketten von Freiwilligen, die sich gefüllte Wassereimer reichen. So rühmlich das ist: ich glaube, wir alle hier halten Comics für ein Medium wie alle anderen (Kino, Literatur etc.) auch. Prima! Dann laßt uns auch so auftreten, selbst wenn (meine?) unsere Forderungen zunächst unverschämt wirken ...

Geändert von Servalan (01.05.2009 um 18:02 Uhr) Grund: des Kontrasts wegen
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