Thema: Filmklassiker
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Alt 11.03.2024, 06:21   #1926  
Peter L. Opmann
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Ich kehre mal zu konfektionellerer Hollywoodware zurück, bevor ich hier die letzten Leser vergraule: „Wir sind keine Engel“ (1955), eine schwarze Krimikomödie von Michael Curtiz. Aber erneut tun sich überraschende Parallelen auf, nämlich zu dem im gleichen Jahr erschienenen Thriller „An einem Tag wie jeder andere“, den ich bereits besprochen habe. In beiden Filmen nistet sich ein Trio entflohener Sträflinge, beide Male angeführt von Humphrey Bogart, bei einer braven Familie ein. Hier enden aber die Übereinstimmungen. „Wir sind keine Engel“ lief früher öfters im Fernsehen, und ich habe den Film schon als Jugendlicher gesehen. Jetzt war ich überrascht, wie simpel die erzählte Geschichte ist (ursprünglich eine Theaterkomödie). Alles liegt an der Inszenierung und der Schauspielerführung. Bogart hat zwar durchaus ein paar Komödienrollen gespielt, aber wichtig an seiner Darstellung hier ist nur, daß man ihm den Verbrecher sofort abnimmt.

Schauplatz ist die Teufelsinsel in Französisch-Guayana. Bogart, Peter Ustinov und Aldo Ray wollen sich Geld besorgen, um von der Insel fliehen zu können. Dazu dringen sie in einen Kaufmannsladen ein, nehmen die Familie (Leo G. Carroll, Joan Bennett und als Tochter Gloria Talbott) aber nicht als Geiseln, sondern geben vor, das Dach des Hauses reparieren zu wollen. Vom Dach aus bekommen sie mit, daß die sympathische Familie einige Probleme hat: Das Geschäft geht nicht, Carroll erwartet seinen strengen Cousin (Basil Rathbone), der die Bücher prüfen möchte, und Talbott ist in Rathbones Sohn John Baer verliebt, mit dem sie aber sicher nicht glücklich werden kann. Bei den Dreien regt sich das Gerechtigkeitsgefühl, und sie beschließen zu helfen.

Die Sträflinge machen sich auf ihre Art nützlich: Bogart frisiert die Bilanzen und bringt mit kleinen Betrügereien das Geschäft in Gang, Ustinov knackt ein paar Schlösser, und zu dritt bringen sie Rathbone und dann auch seinen Sohn um (mithilfe einer Giftschlange, die sie stets mit sich herumtragen). Erst dann reisen sie, verkleidet als Gentlemen, mit dem nächsten Schiff nach Paris ab. Das war schon die ganze Handlung. Der Film lebt ausschließlich von Kontrasten. Während der Zuschauer stets weiß, daß die Sträflinge im Prinzip skrupellos und gefährlich sind, erscheinen sie der etwas unbedarften Familie als Retter in der Not, und Rathbone durchschaut sie zwar als Lumpen, macht aber den tödlichen Fehler, sie zu unterschätzen. Die Kritiker der 1950er Jahre hatten Schwierigkeiten mit dem schwarzen Humor. Heute dürfte der leichte Zynismus niemanden mehr vom Hocker reißen.

Es ist aber immer noch ein unterhaltsamer und witziger Film. Die anspielungsreichen Dialoge machen Spaß. Und ich finde es sehenswert, wie Bogart, ohne sehr komödiantisch spielen zu müssen, sein altes Gangsterimage parodiert. Peter Ustinov wirkt ja generell ein wenig zwielichtig. Aldo Ray kenne ich glaube ich nur in dieser Rolle. Basil Rathbone, der für Michael Curtiz schon den Guy of Gisbourne spielte, hat leider eine relativ kleine Rolle. Es gibt ein amerikanisches Remake (mit Robert de Niro) und ein japanisches. Der alte Film ist ziemlich günstig als DVD zu erwerben. Aufgeteilt in Clips und auf Englisch kann man ihn auch auf youtube sehen.
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