Thema: Filmklassiker
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Alt 01.03.2024, 06:14   #1918  
Peter L. Opmann
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Zu Bergmans „Frauenträume“ (1955) muß ich sagen: So langsam fühle ich mich in seiner Welt schon ein wenig heimisch. In den drei Filmen, die ich jetzt gesehen habe, werden zwar sehr unterschiedliche Geschichten erzählt, aber es geht immer um ähnliche Gefühle und Beziehungsfragen. Allerdings finde ich „Frauenträume“ bisher am schwächsten. Da ich an das noch ausstehende Werk, „Wilde Erdbeeren“, im Gegensatz dazu noch einige Erinnerungen habe, dürfte dies tatsächlich der Film sein, der mich am wenigsten überzeugt. Ganz uninteressant ist er indes nicht.

Hier geht es um zwei zerbrechende Liebesaffären. Die Handlung spielt im Milieu der Modefotografie. Eva Dahlbeck ist Chefin einer Stockholmer Fotoagentur, Harriet Andersson arbeitet für sie als Model. Mit einem kleinen Team reisen sie für eine Fotosession nach Göteborg. Andersson zerkracht sich deshalb mit ihrem Freund, der es ihr übel nimmt, daß sie der Arbeit dem Zusammensein mit ihm den Vorzug gibt. Dahlbeck hat in Göteborg ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, den sie ganz für sich zu gewinnen hofft. Zuerst verfolgt der Zuschauer, wie Andersson bei einem Stadtbummel einen soignierten älteren Herrn (Gunnar Björnstrand) kennenlernt, der ihr ein teures Kleid, Schuhe und Schmuck kauft, offenbar nur, um sich an ihrer Jugend zu erfreuen. Für eine richtige erotische Beziehung ist er wohl schon zu alt. Als er in seiner Villa mit ihr noch Champagner trinkt, werden beide von seiner Tochter überrascht, die von ihm Geld fordert und Andersson für eine Prostituierte hält. Tief verletzt räumt sie das Feld. Weil sie zu ihren Fotoaufnahmen zu spät kommt, hat sie zudem noch Ärger mit ihrer Chefin.

Dahlbeck bettelt nach der Arbeit ihren Liebhaber an, sie in ihrem Hotel zu treffen. Nachdem er erklärt hat, daß er sie nicht wiedersehen möchte, kommt er doch. Sie verbringen die Nacht gemeinsam, aber dann taucht seine Frau (Inga Landgré) auf. Sie macht Dahlbeck klar, daß ihr Mann finanziell von ihr abhängig ist und sie deshalb nie verlassen wird. Außerdem ist sie überzeugt, daß ihm letztlich seine Familie wichtiger ist als das Abenteuer mit ihr. Dahlbeck sieht ein, daß sie recht hat. Kurz darauf kehrt Andersson zurück und weint sich bei ihrer Chefin aus. Immerhin kann sie sich, als sie wieder in Stockholm sind, mit ihrem Freund versöhnen. Dahlbeck bleibt sinnierend zurück.

Es ergibt sich der Eindruck, als ob sich Bergmann ganz auf das Empfinden der beiden Frauen konzentrieren wollte. In dem Film gibt es ein paar lange stumme Passagen, die vielleicht schon auf „Das Schweigen“, Bergmans wohl bekanntesten Film, vorausweisen. Hier wird die Handlung jedoch dadurch mit Bedeutung überfrachtet, so kommt es mir jedenfalls vor. Die Erlebnisse der beiden Frauen sind kleine persönliche Dramen, die jedoch für mich keine darüber hinausgehende Bedeutung haben. Ich finde auch die beiden Frauenfiguren nicht überzeugend. Dahlbeck wirft ihrer Angestellten Flatterhaftigkeit vor, befindet sich aber eigentlich in einer ziemlich ähnlichen Situation wie sie. Beide Frauen werden auf unvorteilhafte Weise als von ihren Gefühlen getrieben dargestellt. Dahlbeck als die Ältere erscheint beherrschter und überlegter, ist es aber nicht wirklich.

In wikipedia ist zu lesen, „Frauenträume“ sei ursprünglich als Komödie angelegt gewesen (der Filmtitel deutet vielleicht noch darauf hin). Aber die Dreharbeiten seien dadurch belastet gewesen, daß sich Bergmann und Andersson privat getrennt hätten. Faktisch enthält der Film fast gar keine Komödienelemente, sondern transportiert Sinnlosigkeit und Depression – es wirkt beinahe so, als sei ohne Drehbuch spontan vor der Kamera improvisiert worden, was ich mir aber nicht vorstellen kann. Fazit: Der Film hat ein paar berührende und starke Szenen, scheint mir aber insgesamt eher mißglückt.
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