Thema: Filmklassiker
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Alt 14.11.2023, 06:08   #1683  
Peter L. Opmann
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Vielleicht erinnert sich jemand, daß ich eine Vorliebe für den Regisseur Mitchell Leisen habe. Ein ganzes Stück weiter oben habe ich seinen Film „Die unvergeßliche Nacht“ besprochen. Ich habe noch eine Cassette mit zwei Leisen-Filmen; der will ich mich jetzt zuwenden. Der erste Film ist zugleich seine erste Komödie: „Liebe im Handumdrehen“ (1935). Sie ist noch nicht so gut, aber sein eleganter Regiestil ist schon zu erkennen, und sie hat ihre Momente. Leisen arbeitete bei der Paramount, anfangs als Filmarchitekt und Kostümbildner, durfte dann auch mal Regie führen und bekam unter dem Produktionsleiter Ernst Lubitsch die Chance, Screwball-Komödien zu drehen, die offenbar wirklich seine eigentliche Stärke waren. Zugleich war „Liebe im Handumdrehen“ auch der erste Film, in dem Carole Lombard eine Komödienrolle spielen durfte. Man kann allerdings annehmen, daß Lubitsch auf den Film einigen Einfluß genommen hat. Mir gefällt jedoch an Leisen, daß er nicht so zweideutig wird wie Lubitsch und seine Figuren niemals bloßstellt.

Hier die relativ einfach gestrickte Story: Lombard, ein einfaches Mädchen, arbeitet in einem Schönheitssalon als Maniküre. Ihr Ziel ist, bei der Arbeit einmal einen reichen Mann kennenzulernen und zu heiraten. (Den lernt sie nach kurzer Zeit tatsächlich kennen, gespielt von Ralph Bellamy, aber er sitzt im Rollstuhl und kommt daher nicht in Frage.) Wenig später sitzt ihr aber der vermeintlich reiche Fred MacMurray im Salon gegenüber, und da schlägt sie sofort zu. Sie läßt sich von ihm zum Essen und Tanzen einladen; es wird ein sehr schöner Abend. Am Ende ist MacMurray allerdings sturzbetrunken und fast völlig weggetreten, so daß sie ihn in ihre Wohnung schaffen muß. Er hatte vor, noch in der Nacht auf die Bahamas zu reisen und anschließend eine Millionenerbin (Astrid Allwyn) zu heiraten. Lombard erfährt nun allerdings auch, daß er völlig verarmt ist und sich wie sie durch eine reiche Heirat sanieren will.

Sie passen also wechselseitig nicht in ihr Beuteschema; trotzdem kommen Lombard und MacMurray erstaunlich gut miteinander aus. Bei einem Kontrollanruf führen sie sogar die Erbin hinters Licht, indem sie ihr vormachen, das Telefonat von den Bahamas aus zu führen, und sich anschließend kaputtlachen. Allwyn läßt allerdings den Anruf zurückverfolgen und kommt so darauf, daß sie getäuscht worden ist (erinnert ein bißchen an „Die Wüstensöhne“). Daß seine Heirat damit platzt, stört MacMurray nicht, denn er will nun seinen Lebensunterhalt selbst verdienen und Lombard heiraten. Sie ist jedoch noch nicht bereit, sich auf ihn einzulassen. Bei ihrem Freund Bellamy kommt es zu einem heftigen Streit, nach dem sie sich endgültig versöhnen. Die Schlußszene ist recht originell: Lombard und MacMurray fahren in einem Doppeldeckerbus weg – noch ist nicht ganz klar, ob zum Essen oder gleich zur Trauung. Sie wollen dazu eine Münze werfen, und er sagt launig: „Wenn die Münze auf der Kante steht, suche ich mir Arbeit.“ Das Geldstück fällt auf die Straße. Auf der Suche nach ihm verursachen beide ein Verkehrschaos. Schließlich finden sie die Münze, die aufrecht stehend in einem Gully klemmt.

Eine sehr simple Moral: Geld macht nicht glücklich, vor allem wenn man stattdessen die Liebe seines Lebens heiraten kann. Und für eine echte Screwballkomödie fehlt es ziemlich an Verwicklungen. Schreiend komisch ist dieser Film nicht, und darüber hinaus hat er ein paar melancholische Einschübe, wenn Träume vom Reichtum zerplatzen und wenn das Paar meint, aufeinander verzichten zu müssen. Auch MacMurray war offenbar vor diesem Engagement noch nicht in einer Komödie besetzt worden, macht seine Sache aber wie Lombard sehr gut. Mir behagt es in der Regel mehr, mit den Stars eines Films zu lachen und vielleicht auch mal zu weinen, als über sie und ihre Schwächen zu lachen. Also, „Liebe im Handumdrehen“ hat was, auch wenn es da noch Luft nach oben gibt. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wurde in Cineastenkreisen diskutiert, ob Leisen vielleicht ein Auteur, also ein Filmemacher mit persönlichem Ausdruck war. Das trifft sicher nicht zu, denn er war fest ins Studio eingebunden, folgte dem Paramount-Stil und ließ sich auch manches von Lubitsch diktieren. Aber er bringt sein Liebespaar hier zu einem lebendigeren Ausdruck, als das Lubitsch in manchen seiner Komödien gelungen ist.
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