Thema: Filmklassiker
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Alt 30.10.2023, 06:30   #1658  
Peter L. Opmann
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Neulich habe ich zwei Filme von Don Siegel besprochen: „Tod eines Killers“ und „Coogans großer Bluff“. Einen Siegel-Film auf Video habe ich noch übrig, „Die rote Schlinge“ (1949), ein Frühwerk des Regisseurs. Manches an dem Film ist mir etwas rätselhaft. Er wurde von RKO produziert, obwohl Siegel bei Warner Brothers unter Vertrag stand. Die Stars des Films, Robert Mitchum und Jane Greer, hatten vier Jahre vorher bei RKO bereits erfolgreich für „Goldenes Gift“ vor der Kamera gestanden (habe ich weiter oben besprochen), aber laut wikipedia bekam Greer die Rolle nur wegen ihrer guten Beziehungen zu RKO-Chef Howard Hughes. Die dramatische Tiefe von „Goldenes Gift“ erreicht „Die rote Schlinge“ nicht, aber der Film hat mir gut gefallen; er erinnert mich an ein klassisches Comicalbum etwa von Tillieux, nicht zuletzt wegen der atemlos aufeinander folgenden turbulenten und actionreichen, aber auch witzigen Szenen. Ratlos macht mich aber auch der Titel des Films – keine Ahnung, worauf der anspielt (im Original heißt er übrigens schlicht „The big Steal“).

Mitchum ist Finanzchef eines Unternehmens, dem 300 000 Dollar gestohlen wurden. Der Täter, gespielt von Patric Knowles, ist nach Mexiko geflohen, und Mitchum heftet sich auf seine Spur. Er selbst wird aber von einem Polizisten (William Bendix) verfolgt, der Mitchum für einen Beteiligten am Gelddiebstahl hält. Kurz hinter der Grenze lernt Mitchum Greer kennen, die Freundin von Knowles, die sich aber selbst von ihm um Geld betrogen fühlt. Mitchum stellt ihn, findet das Geld aber nicht bei ihm. Knowles kann fliehen, während Greer ihn bewachen soll; er will eine bestimmte Stadt erreichen; deshalb beschließen Mitchum und Greer, ihn weiter zu verfolgen. Und hinter ihnen ist Bendix her. Außerdem interessiert sich nach einigen Auseinandersetzungen auch ein mexikanischer Polizeichef (Ramon Novarro) für die „verrückten“ Amerikaner.

Ein Schwachpunkt des Films ist, daß eine Menge Witze auf Kosten des hier sehr unterentwickelten und verschlafenen Landes Mexiko gehen. Außerdem kommt es immer wieder zu wenig glaubwürdigen „zufälligen“ Begegnungen der Beteiligten, was mich aber nicht so sehr gestört hat, weil sich die Geschichte so sehr rasant entwickelt. Mitchum und Greer schaffen es schließlich, Bendix erstmal abzuschütteln. Kurz darauf erreicht Knowles sein Ziel, das Domizil eines mexikanischen Kunstsammlers, der als Hehler die Beute sauberwaschen will. Es zeigt sich: Das Geld war in einem Autoreifen gut versteckt. Mitchum und Greer werden von der Hehlerbande aufgehalten und gefangengenommen. Zusammen mit Knowles (der nach Ablieferung des Geldes nicht mehr gebraucht wird) sollen sie sterben. Zum Schluß taucht Bendix auf – das Paar will aufatmen, doch der Polizist entpuppt sich als Mitglied der Hehlerbande. Im Showdown kann sich Mitchum jedoch durchsetzen, und nun kann Novarro zuschlagen und die ganze Bande verhaften. Mitchum und Greer, die sich während des ganzen Films eher beharkt haben, beschließen zu heiraten.

„Die rote Schlinge“ ist natürlich konventioneller als Siegels Filme der 60er und 70er Jahre. Aber schon in dieser frühen Arbeit zeigt der Regisseur ausgesprochenes Talent für Actionszenen, etwa Autoverfolgungsjagden. Dabei sind die Protagonisten alle keine Superhelden, sondern zeigen sich durchaus anfällig für Fausthiebe wie auch Pistolenkugeln. Die Spannung bleibt dabei immer hoch. Grundsätzlich gefällt mir auch die hineingemischte Komik. Und auch die Beziehung zwischen Mitchum und Greer ist attraktiv gestaltet: Er ist sarkastisch, sie gibt sich unnahbar; trotzdem raufen sich beide – teils notgedrungen – immer wieder zusammen. Hohe künstlerische Ansprüche erfüllt der Film nicht, aber er bietet beste Unterhaltung. 1990 wurde übrigens in Australien ein Film gleichen Titels gedreht, der aber offensichtlich kein Remake ist. Ich denke, „The big Steal“ würde ein Remake lohnen (das sich vielleicht etwas mehr Zeit nimmt), habe aber nicht im einzelnen darüber nachgedacht, was an ihm gegebenenfalls alles modernisiert werden müßte.
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