Thema: Filmklassiker
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Alt 27.10.2023, 06:19   #1652  
Peter L. Opmann
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Bin von meinem Plan, zuerst die Filme zu digitalisieren, die schwierig auf DVD oder im Internet zu finden sind, nochmal abgewichen. „Peanuts – Die Bank zahlt alles“ (1996) von Carlo Rola gehört strenggenommen auch deshalb nicht hierher, weil diese Komödie noch keine 30 Jahre alt ist. Aber ich wollte mir den Film jetzt gern nochmal ansehen, weil ich auf den Gedanken kam, er funktioniere ähnlich wie „Schtonk!“ (siehe oben). Da ist tatsächlich was dran, wenn auch Rola (bekannt vor allem als Regisseur der „Rosa Roth“-Krimis und eigentlich ein Theatermann) einen anderen Inszenierungsstil hat als Helmut Dietl. In beiden Fällen geht es um einen realen Skandal, der mit satirischen Mitteln, aber grundsätzlich nahe an den Fakten nachgespielt wird. Dort wurde der Verlag Gruner & Jahr angeschmiert, hier nun die Deutsche Bank. Mir ging beim Betrachten immer wieder durch den Kopf: „Die Welt will betrogen sein.“

Mit dem Skandal hinter „Peanuts“ hatte ich sogar geringfügig Berührung, weil ich damals für eine Handelszeitschrift arbeitete und es unter anderem um die Renovierung und den Bau von Einkaufszentren ging. Sonst könnte die Sache allmählich in Vergessenheit geraten sein – mit Ausnahme des Ausspruchs des damaligen Deutsche-Bank-Chefs, bei den unbezahlten Baufirmen-Rechnungen (50 Millionen D-Mark) handele es sich lediglich um „Peanuts“. Dahinter steckte ein Frankfurter Bauentwickler, der feststellte, daß er zwar an kleinere Kredite nicht herankam, aber praktisch jeden Betrag verlangen konnte, wenn er mit entsprechendem Auftreten große Bauprojekte anging. Er wird im Film von Ulrich Mühe dargestellt. Weitere wichtige Rollen haben Traugott Buhre als Chef der Germanischen Bank, Rufus Beck als Bankreferent, der als einziger dem Baulöwen nicht traut, Iris Berben als Pressereferentin der Immobilienfirma und Sonja Kirchberger als seine Masseuse, die ihm die Türen zur Vorstandsabteilung der Bank öffnet. Kleine Auftritte haben auch Heinz Schenk, Hans-Michael Rehberg (als orientalischer, aber hessisch babbelnder Teppichhändler) und Marita Marschall.

Problem des Baulöwen war, daß er zwar immer wieder hochfliegende Pläne hatte, seine Immobilien aber in der Regel schwer verkäuflich waren – wovon den Banken aber lange nichts merkten. Ein besonders dreistes Geschäft war der Bau einer Einkaufsgalerie mit 9000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Kredit gab es allerdings für angebliche 22 000 Quadratmeter. Die Bank wurde zudem durch gefälschte Mietverträge getäuscht; die weit überteuerten Mieten zahlte sich der Baulöwe selbst, dem es nur darum ging, für den nächsten, weit umfangreicheren Kredit vertrauenswürdig zu bleiben. Am Ende tauschen sich zwei Bankmanager beim Golfspielen zufällig über ihren guten Kreditkunden aus und merken endlich, daß er bei mehreren Banken verschuldet ist und zwar weit höher, als er ihnen weisgemacht hatte.

Das ist im Prinzip ein Stoff wie „Der Hauptmann von Köpenick“, folgt aber so akkurat dem zugrundeliegenden wirklichen Geschehen aus der Wendezeit, daß es keine richtige Komödienstruktur gibt. Allerdings muß man Rola (wie auch Dietl) zugestehen, daß er mit einem hervorragenden Ensemble die einzelnen Szenen sehr komisch gestaltet. Rola hat auch ein paar originelle Einfälle: Er läßt zum Beispiel Mühe immer wieder einem kleinen Handwerker begegnen, der auch einen Kredit braucht und ihn an seine Anfänge erinnert; ähnlich wie Chaplin in „Der große Diktator“ spielt Mühe sowohl den Großkotz als auch den kleinen Mann. Mehrmals läßt Rola aber auch Szenen wie bei einer Softsex-Klamotte aussehen. Dabei geht es immer darum zu demonstrieren, daß Macht und Geld Männer erst sexy machen. Das ist mir des Guten etwas zu viel.

Der Film ist insgesamt recht unterhaltsam, man kann ihm keine ausgesprochenen Schwächen nachsagen. Aber wie „Schtonk!“ lebt er ganz davon, daß man die Anspielungen auf das reale Geschehen versteht. Folgerichtig taucht er beinahe nur in der deutschsprachigen wikipedia auf – seltsamerweise gibt es noch einen Eintrag in der walisischen Version (hat der Mann vielleicht auch in Wales gebaut?). Was er gekostet und eingespielt hat, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Mir fällt jetzt noch ein dritter deutscher Film ein, der wohl das gleiche Bauprinzip wie „Schtonk!“ und „Peanuts“ aufweist: Bernd Eichingers „Das Mädchen Rosemarie“ zum Nitribitt-Nachkriegsskandal (auch den habe ich auf Video).
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