Thema: Filmklassiker
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Alt 30.09.2023, 06:31   #1605  
Peter L. Opmann
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Ich erinnere mich nicht, wie ich den Film bewertet habe, als ich ihn zum ersten Mal sah. Ich könnte mir vorstellen, daß ich ihn skurril fand. Wenn ich heute nach der Präsidentschaft von Donald Trump vom Riß durch die USA höre, sehe ich ihn mit anderen Augen. Es geht um „Coogans großer Bluff“ (1967) von Don Siegel, den Film, der den restlichen Platz auf der Cassette nach „Tod eines Killers“ belegt. Ich finde den Film insgesamt nicht gut, aber er ist sowohl für die schauspielerische Entwicklung von Clint Eastwood als auch allgemein in filmhistorischer Hinsicht interessant. Wie der Ansage zu entnehmen ist, muß ich beide Filme Ende April 1991 aufgenommen haben. Sie liefen anläßlich des Todes von Siegel am 20. April 1991.

Eastwood hatte 1967 gerade Sergio Leones Dollar-Trilogie hinter sich, war jetzt ein Star und bekam in Hollywood Rollen, die daran anschlossen, aber auch auf amerikanische Verhältnisse umgemünzt waren. Auf dem Weg zu „Dirty Harry“ (auch von Siegel) spielt er hier einen Deputy-Sheriff aus einer sehr ländlichen Gegend in Arizona, der einen Verbrecher (Don Stroud) aus New York, wo er inzwischen festgenommen wurde, zum Gerichtsprozeß zurückholen soll. Was Stroud ausgefressen hat, wird glaube ich nie erwähnt – einiges deutet auf ein Drogendelikt hin, denn er lebt dort in der neu entstandenen Hippie-Szene und sieht ein bißchen so aus, wie man sich zu der Zeit einen Gammler vorstellte. Eastwood kommt freilich in eine ihm völlig fremde Welt. Stroud liegt ganz gemütlich im Gefängnishospital und hat zudem eine Menge Freigang. Eastwood muß dagegen etliche bürokratische Hürden überwinden, um ihn überhaupt nach Arizona bringen zu können. Gerissene Rechtsanwälte machen ihm immerhin nicht auch noch das Leben schwer. Aber Polizeichef Lee J. Cobb empfiehlt ihm, lieber in sein Kuhdorf zurückzukehren, das er hartnäckig in Texas verortet – Texas oder Arizona, das ist doch die gleiche unzivilisierte Gegend.

Eastwood denkt natürlich nicht daran, unverrichteter Dinge abzuziehen. Als einzige steht die Polizei-Psychologin Susan Clark auf seiner Seite, die er eben aufgegabelt hat. Mit einem Trick holt er Stroud auf eigene Faust aus dem Hospital, wird aber am Flughafen von Kumpanen Strouds niedergeschlagen. Cobb ärgert sich lediglich darüber, daß der Delinquent nun erstmal wieder eingefangen werden muß. Eastwood ermittelt starrköpfig weiter, macht dabei aber Fehler, so daß Cobb seinen Vorgesetzten in Arizona nachdrücklich veranlaßt, den Deputy zurückzubeordern. Eastwood wendet zunehmend Gewalt an, um seinen Gefangenen wiederzubekommen. Strouds ebenfalls drogensüchtige Freundin (Tisha Sterling) führt ihn schließlich zu seinem Versteck. Es kommt zu einer Motorrad-Verfolgungsjagd, an deren Ende Stroud zur Strecke gebracht ist. Nun geht das Spiel aber von vorne los: Stroud kommt ins Gefängnishospital, und Eastwood muß sich mit verschiedenen Behörden auseinandersetzen, um ihn ausgeliefert zu bekommen. Hier macht Siegel aber gnädig einen Schnitt und zeigt, wie sich Eastwood mit seinem Gefangenen auf die Rückreise nach Arizona macht.

Obwohl „Coogans großer Bluff“ sicher nicht zu Siegels besten Werken gehört, ist der Film zugegeben sehr effektvoll gemacht. Die Darstellung finde ich aber sehr vorurteilsbeladen. Die New Yorker sind hier alle äußerst dekadent, seelisch deformiert (verursacht wohl durch den exzessiven Drogenkonsum), betrügerisch und korrupt, und alles erstickt in sinnloser Bürokratie. Die Hippiekultur entspricht exakt den Vorstellungen der Konservativen. Da kommt man – so wird nahegelegt – nicht anders weiter als durch Waffengebrauch und Einsatz der Fäuste. Dabei ist Eastwood beileibe kein moralisches Vorbild. Während des Films hat er allein drei intime Beziehungen zu Frauen und äußert gegenüber Clark leichthin, er habe seine Frauen nicht gezählt. Aber er ist geradlinig, er weiß aus dem Bauch heraus, was Recht und was Unrecht ist, und er setzt seine Vorstellung von Recht und Ordnung rücksichtslos durch. Die Figuren bleiben durch die Bank eindimensional, sie werden nie lebendig. Manche Szenen haben einen ironischen Unterton, ähnlich wie viel später „Crocodile Dundee II“. Dennoch wird hier der oben erwähnte Riß durch die USA schon sichtbar; man sieht alles durch die Brille eines Hinterwäldlers, und dieser Blick hat inzwischen dazu geführt, daß die Demokratie in den USA in Gefahr ist.

„Coogans großer Bluff“ spielte das Doppelte seiner Produktionskosten ein. Daß der Film seine Wirkung nicht verfehlte, ist aber eher noch daran abzulesen, daß aus dem Stoff hinterher eine Fernsehserie entwickelt wurde, nämlich „Ein Sheriff in New York“ mit Dennis Weaver. Da reitet der Sheriff auch mal auf seinem Pferd durch den Big Apple und fängt Bösewichter mit seinem Lasso ein – in dem Don-Siegel-Film sind die Westernelemente auf Eastwoods Cowboyhut beschränkt, für den er von den New Yorkern immer wieder verspottet wird.
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