Thema: Filmklassiker
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Alt 28.09.2023, 06:14   #1599  
Peter L. Opmann
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Leider kenne ich weder die Kurzgeschichte von Ernest Hemingway, die diesem Film zugrundeliegt, noch die frühere Verfilmung von Robert Siodmak, „Rächer der Unterwelt“. Ich kann „Tod eines Killers“ (1964) von Don Siegel nur so besprechen, wie sich der Film selbst darbietet. Die Eröffnung und der Schluß sind meisterhaft inszeniert, und das kann man nicht von vielen Filmen behaupten. Der ganze Mittelteil, der zu der Hemingway-Story hinzuerfunden wurde, überzeugt dagegen weniger. „Tod eines Killers“ ist für die Zeit seiner Entstehung ein ungewöhnlich harter Gangsterfilm, allerdings mit dem Schönheitsfehler, daß die Figuren nicht so richtig lebendig werden und die Verwicklungen rund um eine Beute von einer Million Dollar den heutigen Betrachter nicht mehr zu packen vermögen.

Lee Marvin ist ein Auftragskiller, unterwegs mit einem jungen Kompagnon. In einer Blindenschule spürt er John Cassavetes auf, der dort als Lehrer arbeitet. Cassavetes läßt sich erschießen, ohne zu fliehen oder Widerstand zu leisten. Das kommt den beiden Killern seltsam vor, und sie wollen herausfinden, was dahintersteckt. Sie kennen zunächst ihren Auftraggeber nicht und auch nicht das Motiv für den Mord. In drei langen Rückblenden erfahren sie es. Cassavetes war früher Autorennfahrer, und zuerst nehmen sie seinen Mechaniker in die Mangel. Der erzählt, daß er eine Romanze mit Angie Dickinson hatte, ohne zu wissen, daß sie die Braut des Gangsterbosses Ronald Reagan (der spätere US-Präsident) ist. Cassavetes erleidet bei einem Rennen einen schweren Unfall, bei dem seine Augen in Mitleidenschaft gezogen werden, wird aber von Dickinson für einen Job engagiert.

Von einem Komplicen Reagans erfahren die beiden Killer dann, daß es um den Überfall auf einen Geldtransport ging, bei dem Cassavetes als Fahrer auf einer schwierigen Strecke gebraucht wurde. Der Überfall brachte eine Million Dollar ein, aber noch wissen die Killer nicht, wo das Geld geblieben ist. Von Reagan selbst erfahren sie, daß er zusammen mit Cassavetes nach dem Überfall wegfuhr und während der Fahrt aus dem Auto gestoßen wurde. Cassavetes verschwand mit der Beute. Dann zwingen sie noch Dickinson auszupacken. Sie erzählt, daß Reagan sich das Geld zurückholte. Es wird klar, daß sie immer auf der Seite Reagans stand und Cassavetes nur benutzt hat. Schließlich taucht Marvin, nachdem Heckenschützen versucht haben, ihn und seinen Begleiter zu töten, bei Reagan und Dickinson auf und legt beide um. Sein Kompagnon hat den Anschlag nicht überlebt, er selbst ist schwer verletzt. Während er den Geldkoffer schnappt und zu seinem Auto zurückkehrt, bricht er zusammen und stirbt.

Siegel war spezialisiert auf Action und vor allem Schießereien. Obwohl er noch nicht die Freiheiten hatte, die es wenige Jahre später bei New Hollywood gab, gelingen ihm da kompromiß- und illusionslose Szenen. Auf der emotionalen Ebene finde ich den Film aber ziemlich mißglückt. Aus Dickinson wird man nicht klug, weil sie ihre Liebe zu Cassavetes ebenso stark ausspielt wie ihre Loyalität zu Reagan. Es ist aber unnötig, sie so ins Zwielicht zu stellen. Wichtig ist nur, daß Cassavetes aufgibt, als er erkennt, daß sie immer die Geliebte von Reagan war. Cassavetes selbst hätte diesen Teil sicher wesentlich überzeugender inszeniert. Das Stilmittel der Rückblenden finde ich zwar reizvoll, aber in ihnen wird die Handlung weitgehend linear erzählt; es gibt also keine großen Überraschungen. Seltsam fand ich, daß Marvin und sein Kompagnon alles so mühelos erfahren, wenn sie doch in das Revier eines sehr mächtigen Gangsterbosses eingedrungen sind.

Ein paar Funfacts: Als Cassavetes engagiert war, stellte sich heraus, daß er gar nicht autofahren konnte. Reagan soll Kirk Douglas gesagt haben, er bereue es, diese Rolle übernommen zu haben, weil er dann als Politiker ein Saubermann-Image brauchte. Die Filmmusik stammt von John Williams, der hier nervösen Jazz liefert, nichts, was an „Star Wars“ erinnert. „Tod eines Killers“ scheint eine Billigproduktion gewesen zu sein (Angaben zu Budget und Kasseneinnahmen habe ich nicht gefunden). Siegel produzierte den Film selbst für Universal. Es sollte jedoch ursprünglich ein TV-Movie werden, schien aber im Fernsehen nicht sendbar zu sein und wurde deshalb im Kino ausgewertet. Immerhin: Über weite Strecken ist der Film auch nach 60 Jahren noch sehenswert. Die Schwächen im Mittelteil verderben den Genuß dieses Films nicht gleich.
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