Thema: Filmklassiker
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Alt 21.09.2023, 06:19   #1580  
Peter L. Opmann
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Diesen Film habe ich im Kino gesehen und, nachdem ich ihn aufgenommen hatte, auch vielleicht zweimal auf Video. Aber das ist alles ziemlich lange her. Ich hatte jetzt keine genaue Erinnerung mehr an „Tootsie“ (1982) von Sydney Pollack. Ich glaube auch, der Film ist allgemein etwas in Vergessenheit geraten, dabei hatte er damals die höchsten Einspielergebnisse nach Spielbergs „E.T.“. In der englischen wikipedia wird das Werk als „romantische Komödie“ eingestuft. Ich sehe darin eher ein Liebesdrama mit Tendenz zur Groteske. Pollack ist kein typischer Komödienregisseur, und so reizt dieser Film kaum einmal zum lauten Lachen, aber man möchte unbedingt wissen, wie sich die Beziehungen eines als Frau verkleideten Mannes zu Frauen und Männern entwickeln. Nur würden die Verwirrungen der Geschlechter heute, in Gender-Zeiten, vermutlich gar nicht mehr so dargestellt.

Dustin Hoffman ist Schauspieler in New York, der schon seit zwei Jahren kein Engagement mehr bekommen hat, weil er nicht widerspruchslos alles tut, was ein mittelmäßiger Regisseur von ihm will. Irgendwie kommt er auf die Idee, beim nächsten Casting als Frau aufzutreten, und dieses ältliche Mädchen mit Fistelstimme, aber oft nicht sehr fraulichem Auftreten, das vor und hinter der Kamera, wenn nötig, energische Widerworte gibt, kommt prompt bei den Verantwortlichen einer Krankenhaus-TV-Serie hervorragend an. Die Einschaltquoten steigen, als diese Frau öfters mal vom vorgesehenen Dialog abweicht, um Macho-Männern die Meinung zu sagen. Obwohl das den Regisseur Nerven kostet, wird „Tootsies“ Vertrag verlängert. (Der Begriff bedeutet „Süße“ mit abwertendem Unterton in Richtung „Schlampe“.)

Hoffman hat zwar eine feste Freundin (Teri Garr), ebenfalls eine eher erfolglose Schauspielerin, lernt in seinem Job aber Jessica Lange kennen, die eine Krankenschwester spielt, hinter der die Ärzte her sind. Hoffman baut sie mit seinem Kampf gegen Sexismus moralisch auf; sie freunden sich an, verbringen viel Zeit miteinander und entwickeln tiefere Gefühle, was Lange verwirrt, weil sie eindeutig nicht auf Frauen steht. Dafür macht ihr verwitweter Vater (Charles Durning) Tootsie einen Heiratsantrag, den Hoffman nur mit Mühe abwehren kann. Mit seiner Freundin (die ihn nur als Mann kennt) bekommt er natürlich auch Probleme. Schließlich entschließt er sich, aus der TV-Serie auszusteigen und endgültig reinen Tisch zu machen. In der letzten Folge der Krankenhaus-Serie, die live ausgestrahlt wird, gibt er seine wahre Identität bekannt. Damit stößt er Garr, Lange und Durning vor den Kopf, kann aber zum Schluß alles wieder einrenken.

Das Ende des Films ist für eine Komödie eindeutig zu lahm, aber für eine Liebesgeschichte durchaus in Ordnung. Mit „Manche mögen’s heiß“ oder auch „Charleys Tante“ hat der Streifen sehr wenig zu tun. Es ist übrigens nicht so, daß man sich „Tootsie“ nach 40 Jahren nicht mehr ansehen kann. Die Figuren sind interessant gestaltet und berühren den Zuschauer – Dustin Hoffman vielleicht am wenigsten, denn warum er sich so konsequent in eine Frau verwandelt, obwohl das mit seiner Sexualität überhaupt nichts zu tun hat, ist für mich nicht so ganz verständlich (vordergründig kann er nur so Geld verdienen). Sehr auffällig: Homosexualität ist für alle Beteiligten ein Problem, und nur so kann die Geschichte in Gang kommen. Möglicherweise bekommt man auch Einblick ins amerikanische Fernsehgeschäft (jedenfalls der 1970er oder 80er Jahre); es wirkt realistisch, wie die Krankenhaus-Serie gedreht wird, aber das kann ich letztlich nicht beurteilen.
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