Thema: Filmklassiker
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Alt 20.09.2023, 06:12   #1576  
Peter L. Opmann
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Die „Ariel“-Cassette habe ich mit Aki Kaurismäkis „Hamlet goes Business“ (1987) aufgefüllt (lief als Originalfassung mit deutschen Untertiteln). „Hamlet“ ist ihm eher mißlungen. Wir haben es hier tatsächlich mit einer Umsetzung des Shakespeare-Dramas zu tun, die in gewissem Sinn werkgetreu, aber auch eine ungewöhnliche Interpretation und sicher auch eine Travestie ist. Der Dramenstoff wird in die Gegenwart versetzt, aus dem Machtkampf am dänischen Königshof wird einer in einem finnischen Konzern. Die wesentlichen Figuren des Stücks sind alle beibehalten und erleiden das von Shakespeare vorgesehene Schicksal – Vater und Mutter sowie die Geliebte des Dänenprinzen werden ermordet, Hamlet selbst schwankt zwischen Melancholie und Rachegelüsten und fällt am Ende ebenfalls einer Intrige zum Opfer. Das ist alles gut wiedererkennbar.

Inszeniert ist das Ganze im typischen Kaurismäki-Stil, und diese formale Seite ist für mich das einzig Interessante an dem Film. Die Figuren sind recht einsilbig (die Originaldialoge des Dramas werden natürlich nicht verwendet), die Handlungsweisen wirken gefühlskalt und erzeugen eine deprimierende Stimmung. Kaurismäki stellt das Geschehen hier erneut sehr lakonisch dar. Das alles ist untermalt von sentimentalen Schlagerliedern und – hier mehr als in „Ariel“ – härteren Rocksongs. Das ausgeprägte Hell-Dunkel der meisten Szenen erinnert an den Film noir, die latente Bedrohung mit dem Tod genauso. Aber diese ausgeprägte Stilisierung ergibt keine bestimmte Aussage. Mal wirkt die Handlung ernst und moralisch, mal parodistisch und mal wie eine bloße Fingerübung.

Rezensionen vor 35 Jahren lobten eine vermeintliche Kapitalismuskritik. Der Fischer Film Almanach 1989 sprach von einer „sarkastischen Attacke auf die Entartungen des kapitalistischen Systems“. Ich kann das nicht nachvollziehen. Die Firmenpolitik bildet nur eine grobe Hintergrundfolie; Wirtschaftskonflikte erschöpfen sich darin, wer die Aktienmehrheit an dem Konzern besitzt. Ans Leben wollen sich die Hauptfiguren eher aus persönlichen Gründen. Einen neuen Blick auf Shakespeares „Hamlet“ ergibt das noch nicht – ich bin auch skeptisch, ob das beabsichtigt war. Dieser Film liefert vielleicht Filmemachern die eine oder andere Anregung für eigene Inszenierungen; das Publikum zieht aus „Hamlet goes Business“ nur wenig Gewinn.
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