Thema: Filmklassiker
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Alt 15.09.2023, 21:58   #1575  
Peter L. Opmann
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Heute abend habe ich mir die Doku „Buster Keaton rides again“ (1965) von John Spotton angesehen, die auf meiner Keaton-Cassette mit drauf ist. Die ersten Minuten habe ich damals leider verpaßt. Es wird in Kurzform so ziemlich dasselbe erzählt wie in dem Film von Brownlow/Gill. Aber Spotton bietet außerdem Aufnahmen von den Dreharbeiten zu dem Keaton-Kurzfilm „The Railrodder“ in Kanada (wo Keaton damals Bürgermeister eines Städtchens war) und erzählt die Entstehungsgeschichte dieses Kurzfilms, der gedreht wurde, weil Keaton zu dieser Zeit von der Öffentlichkeit und der Kinokritik wiederentdeckt worden war.

„The Railrodder“ wurde ähnlich wie seine Stummfilme gedreht, das heißt, Keaton ließ sich die meisten Gags auf einer Eisenbahnstrecke in Kanada unmittelbar vor dem Dreh einfallen. Mit beinahe 70 absolviert er wieder ziemlich gefährliche Szenen. Natürlich fällt er nicht mehr in die Tiefe oder läßt Gegenstände auf sich fallen. Aber er ist auf einer Mini-Eisenbahn unterwegs und riskiert den Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Zug oder ist von einer riesigen Landkarte eingehüllt, während er über eine sehr hohe Brücke fährt. Er selbst hält das alles nicht für gefährlich, sondern für „child’s play“.

In dem Dokumentarfilm wird deutlich, daß Keaton zwar aus dem Scheinwerferlicht verschwunden, aber all die Jahre seit seinem Rausschmiß bei MGM immer aktiv geblieben war. Er trat in Shows auf (TV, Zirkus etc.) und wirkte in eher unbedeutenden Filmen mit. Außerdem arbeitete er als Gagman. Am Ende, wird erzählt, habe er immer davon geredet, sich zur Ruhe setzen zu wollen, aber wenn er eine Woche lang kein neues Engagement bekam, habe er ebenso geklagt, daß er von aller Welt vergessen worden sei. Mit seiner dritten Frau war er über 25 Jahre lang bis zu seinem Tod verheiratet, und man bekommt den Eindruck, sie mußte immer auf ihn aufpassen, da er Alkoholiker und gesundheitlich angeschlagen war. Außerdem hatte er ein paar Helfer, die ihm die Presse so weit wie möglich vom Halse hielten. Sein Publikum ließ er aber stets nahe an sich heran, und besondere Liebe hatte er zu Kindern. Allerdings wird nur gezeigt, wie er Autogramme gibt.

Man bekommt den Eindruck, daß ihn sein Karriereknick um 1930 schwer getroffen hat, daß das aber nicht völlig unerwartet für ihn kam, da er in seiner Jugend bereits das Ende der Medicine Shows und dann des Vaudeville-Theaters erlebt hatte. Für ihn ging es trotzdem immer irgendwie weiter. Ab der Tonfilmzeit war er zunehmend kein großer Star mehr, aber er war zufrieden mit der Arbeit, die er bekam. Nach Abschluß dieses Dokumentarfilms lebte er noch etwa ein Jahr. Er starb – als starker Raucher – an Lungenkrebs.
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