Thema: Filmklassiker
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Alt 10.08.2023, 06:24   #1486  
Peter L. Opmann
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Gestern abend wollte ich mir eigentlich einen anderen Film ansehen, nämlich „Der jüngste Tag“ von Rudolph Maté (vielleicht bekannter unter seinem Originaltitel „When Worlds collide“). Aber die DVD lief auf meinem PC nicht mehr. Also habe ich stattdessen einen meiner Lieblingsfilme mit Laurel und Hardy ausgewählt, „Fra Diavolo“ (1933) von Hal Roach und Charles Rogers. Dieser Film hat eine ganze Reihe unterschiedlicher Titel: In USA hieß er ursprünglich "The Devil’s Brothers“ und in der deutschen wikipedia ist er unter „Hände hoch – oder nicht“ verzeichnet. „Fra Diavolo“ ist der Titel der komischen Oper von Daniel Auber, die für die Komödie Pate stand. Eigentlich mag ich die Kurzfilme von Laurel und Hardy mit wenigen Ausnahmen lieber, und bei „Fra Diavolo“ gibt’s ein paar Probleme, aber er bringt mich doch jedesmal, wenn ich ihn laufen lasse, wieder zum Lachen.

Ich habe die „Fernsehjuwelen“-Box „Lachen Sie mit Stan und Ollie“, und da behauptet Theo Lingen in der Einleitung, er habe nie eine komischere Fassung der Oper gesehen. Ich denke freilich, Roach dürfte das Musikwerk von 1830 fast bis zur Unkenntlichkeit umgebaut haben. Die Buffo-Rollen, die Laurel und Hardy spielen, sind extrem aufgeblasen (was natürlich in Ordnung geht), und es sind nur ein paar Arien, hauptsächlich von Dennis King, einem echten Kunstsänger – und auch guten Schauspieler, und Chornummern übriggeblieben. Trotzdem entsteht der Eindruck einer Opernwelt, die von Musik bestimmt ist und in der Lieder Erkennungsmerkmale sind und die Sänger charakterisieren. Eigentlich finde ich, daß die Zweiakter das naturgemäße Tummelfeld für Laurel und Hardy waren und in ihren Langfilmen oft nur Elemente dazukamen, die mit ihnen wenig zu tun hatten. „Fra Diavolo“ ist mit rund 90 Minuten einer ihrer längsten Filme überhaupt, und doch gibt es kaum etwas, was da nicht hineingehört.

Da die Slapsticknummern viel Zeit beanspruchen, ist die Handlung sehr einfach gehalten, womöglich noch simpler als in der ursprünglichen Oper. Laurel und Hardy wollen sich zur Ruhe setzen, werden aber ihrer sämtlichen Ersparnisse beraubt und beschließen in der Not, selbst Räuber zu werden. Einer der ersten, die sie ausrauben wollen, ist jedoch King, der berüchtigtste Bandit weit und breit. Gewöhnlich erschleicht er sich als angeblicher Marquis das Vertrauen reisender Adeliger, und sobald er weiß, wo sich ihr Vermögen befindet, schickt er seine Bande, um es ihnen abzunehmen. Bei dem grotesken Ehepaar James Finlayson und Thelma Todd gelingt es ihm jedoch nicht, auf die Spur ihrer beträchtlichen Barschaft zu kommen. King tarnt sich mit Laurel und Hardy als seiner Dienerschaft und quartiert sich im selben Gasthof ein, um das Bargeld bei günstiger Gelegenheit doch noch an sich zu bringen. Todd hat es in ihren Unterrock eingenäht. Bis er es geschafft hat, diesen Unterrock zu stehlen, haben ihn Laurel und Hardy durch ihre Ungeschicklichkeit verraten, und King wird nach einem gut gemachten Degenduell festgenommen. Stan und Ollie sollen standrechtlich erschossen werden, machen aber versehentlich einen Kampfstier wild und entkommen auf ihm reitend.

Die Glanznummern von Laurel und Hardy sind in dieser Inhaltsangabe alle nicht enthalten, sind also nicht so entscheidend für die Story. So scheitert Stan bei dem Versuch, Ollie an einem Baum aufzuhängen. Während die beiden in die Herberge einzubrechen versuchen, ist Stan durch ein Schlafmittel halb betäubt, was zu halsbrecherischen Szenen führt. Im Weinkeller betrinkt sich Stan, weil er Ollie nicht rechtzeitig signalisiert, dass die Kanne Wein, die sie holen sollen, bereits voll ist, und bricht anschließend in ein langanhaltendes, ansteckendes Lachen aus. Und in diesem Film führt er die Spiele „Kniechen, Näschen, Öhrchen“ und „Fingerwinken“ vor, die niemand außer ihm beherrscht und die alle in den Wahnsinn treiben. Ich glaube, irgendwann habe ich „Fingerwinken“ auf dem Schulhof auch mal versucht… Finlayson spielt nebenbei hier nicht seine übliche Rolle; er ist weniger aggressiv und dafür vertrottelter – als gehörnten Ehemann sieht man ihn sonst bei Laurel und Hardy nicht. Todd, die ein wenig schwankt, ob sie sich verführen lassen soll oder nicht, spielt das wunderbar.

Obwohl diese Komödie inzwischen 90 Jahre alt ist und die einzelnen Elemente nicht immer richtig miteinander harmonieren, ist die Komik von Laurel und Hardy noch immer frisch. Ich jedenfalls kann mich daran nicht sattsehen. Es folgten noch ein paar ähnliche musikalische Lustspiele, die aber alle nicht so gut geworden sind: „Rache ist süß“ (1934), „Das Mädel aus dem Böhmerwald“ (1936) und „Das Schweizer Mädel“ (1938). Aber in meinen Augen gab es durchaus auch in der Spätphase ein paar gute Laurel-und-Hardy-Filme, den schon erwähnten „Die Wüstensöhne“, „Zwei ritten nach Texas“ und „Klotzköpfe“. Solange sie zum Hal-Roach-Studio gehörten, konnten sie improvisieren, und Stan Laurel hatte Einfluß auf das jeweilige Drehbuch. Später arbeiteten sie vor allem für die 20th Century Fox, wo sie sich ins Studiosystem eingliedern mußten und das Verständnis für ihre spezielle Komik fehlte.
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