Thema: Filmklassiker
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Alt 11.06.2023, 06:34   #1281  
Peter L. Opmann
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Jetzt, denke ich, ist die Gelegenheit, mir auch Filme anzusehen, vor denen ich bisher wegen ihrer Länge zurückgeschreckt bin. Zum Beispiel „Der Leopard“ (1963) von Luchino Visconti. Diese DVD war mal eine Beilage, mit der die Süddeutsche Zeitung für ihre Reihe „Cinemathek“ warb. Es fehlten das Booklet und die von der SZ selbst produzierte Einführung zum Film. Aber man bekam die restaurierte, nicht gekürzte Fassung, 178 statt 160 Minuten lang. Allerdings mußte ich feststellen, daß ausgerechnet die nicht synchronisierten Szenen, die mal der Schere zum Opfer gefallen waren, teilweise auch nicht untertitelt sind.

Der Film ist bewegend, aber mir auch ein bißchen fremd geblieben. Es geht um den Niedergang der italienischen Aristokratie in der Zeit des Revolutionärs Garibaldi („Risorgimento“). Die Umwälzungen werden illustriert anhand des Beispiels des sizilianischen Fürsten Don Fabrizio Conbera (Burt Lancaster) und seiner Familie. Soviel ich weiß, folgt Visconti recht getreu der Romanvorlage von Tomasi di Lampedusa. Der Film setzt sehr auf Atmosphäre und vermittelt ein Lebensgefühl, ist aber handlungsarm. Es ist nicht vorrangig eine Familiengeschichte, auch nicht ein Kostüm- und Ausstattungsfilm (obwohl er streckenweise so aussieht), und auch die äußeren historischen Umstände werden nur angedeutet. Im Kern handelt es sich um ein Porträt des Fürsten, der weiß, daß eine neue Zeit anbricht, und keine Kraft mehr hat, wohl auch die Fruchtlosigkeit erkennt, sich dagegenzustemmen. Ein reicher Emporkömmling, der aus den Machtverschiebungen seinen Vorteil zieht, zeigt dagegen, wie man sich die Veränderungen zunutze macht. Neben Lancaster gibt es zwei weitere Stars: Alain Delon als Neffe des Fürsten und Claudia Cardinale als Tochter des Emporkömmlings, die seine Braut wird. Wer letztlich gewinnt und verliert, wird dem Zuschauer nicht explizit vor Augen geführt, aber alles ist überlagert von einem Gefühl von Melancholie.

Man müßte Sizilien und seine Geschichte besser kennen, um das Geschehen einordnen zu können. Die Landschaft im Film ist schön; von der Armut der Bevölkerung, von der hin und wieder die Rede ist, bekommt man nicht viel mit – obwohl ich von Visconti, der Kommunist war, anderes erwartet hätte; am ehesten wird noch die afrikanische Hitze auf Sizilien spürbar. Aber es ist klar, warum sich der Regisseur für den Stoff interessierte: Er stammte selbst aus dem Adel und fühlte sich insofern als Teil einer untergehenden Welt. Doch man kann auch das damalige Filmgeschäft ein wenig wiedergespiegelt finden. „Der Leopard“ ist eine europäische Großproduktion, wie sie nach dem Zusammenbruch des Studiosystems Hollywoods möglich wurden. Deshalb sehen wir auch Lancaster in der Hauptrolle – ursprünglich wollte Visconti sogar Marlon Brando haben, der vielleicht schon etwas für seine Paten-Rolle hätte üben können, aber die Resignation des Fürsten wohl nicht so gut rübergebracht hätte. Lancaster indes brachte nichts mit, um seine Rolle in der europäischen Adelswelt glaubhaft zu machen – aber es gelingt.

Manches am Verhältnis von Bürgern und katholischer Kirche hat mich an „Don Camillo und Peppone“ erinnert, was ich amüsant fand. Jedenfalls wird klar, daß sich für die Kirche durch die politischen Veränderungen sicherlich nichts verändern wird. In einer Nebenrolle fällt Mario Girotti auf (alias Terence Hill). Das war etwas störend – irgendwie war ich dauernd darauf gefaßt, daß gleich Bud Spencer um die Ecke biegt. Aber an dieses Duo hat damals noch niemand gedacht. Alles in allem habe ich die drei Stunden nicht bereut. Aber man sollte sich „Der Leopard“ wirklich nur ansehen, wenn man genug Zeit dafür hat.
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