Thema: Filmklassiker
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Alt 18.05.2023, 06:11   #1233  
Peter L. Opmann
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„Sie leben“ (1988) von John Carpenter habe ich ziemlich zu Beginn dieses Threads schon mal erwähnt. Es ist snur ein kleiner, schmutziger Film, der sich an Science-Fiction-B-Filmen der 50er Jahre orientiert. Aber er gefällt mir trotzdem sehr gut, und das gleich aus mehreren Gründen. Vielleicht hätte Carpenter mehr Filme in dieser Art drehen sollen statt ein Remake wie „Das Ding“ – wobei ich gegen diesen Film nichts habe, aber bekanntlich konnte der keinen Gewinn einspielen.

Erster Pluspunkt von „Sie leben“ ist für mich, daß dieser Film trotz seiner Genrehandlung näher an der Wirklichkeit ist. Und zwar zeigt Carpenter gleich zu Beginn ein anderes Amerika, als man das als Kinogänger gewohnt ist. Nämlich das Amerika, das vielen Normalbürgern nur ein Leben am Rand des Existenzminimums bietet. Die Spaltung, die heute die USA kennzeichnet, ist hier andeutungsweise schon zu sehen. Und als der Film dann ins Phantastische abgleitet, ergibt sich der zweite Pluspunkt: Er zeigt sehr kulturpessimistisch, wie die Menschen von Medien manipuliert und dumm gehalten werden, und gesteuert werden sie von Aliens (vielleicht ein Bild für die Superreichen, die in einer völlig anderen Welt leben), die man nur erkennen kann, wenn man einen besonderen Blick auf sie richtet.

Was mag das für eine Handlung sein? Roddy Piper ist ein Unterschicht-Amerikaner, der auf Baustellen, an denen er vorbeikommt, seine Arbeitskraft anbietet und dann weiterzieht. Offenbar ist er als blinder Passagier der Eisenbahn nach Los Angeles gekommen, hat aber zunächst bei der Jobsuche kein Glück. Als er sich weiter umsieht, wird er auf einen Prediger aufmerksam, der vor einer verrückten Verschwörung warnt. Außerdem bemerkt er, daß der TV-Sender, der häufig eingeschaltet ist, immer wieder kurzzeitig von Störsignalen überlagert wird. Auch das ist offenbar eine Warnung. Piper wird in einer Barackenstadt aufgenommen, die beinahe an einen Slum in einem Entwicklungsland erinnert. Und wie dort wollen die Behörden das Problem lösen, indem sie die Hütten niederwalzen.

Zufällig ist Piper eine Sonnenbrille in die Hände gefallen. Als er sie zufällig einmal aufsetzt, sieht er plötzlich die Welt mit anderen Augen. Zwischen den Menschen bewegen sich Gestalten mit Totenköpfen. Das sind die reichen und mächtigen Einwohner – sie kontrollieren also mithilfe futuristischer technischer Apparate und unterschwelliger Botschaften („Arbeite!“, „Konsumiere!“, „Geld ist dein Gott!“) die normalen Bürger, die – ohne Sonnenbrille – gar nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben. Piper gehört jetzt zu den Eingeweihten, aber es fällt ihm schwer, seine Freunde, vor allem den Bauarbeiter Keith David, davon zu überzeugen. Dazu muß er ihn erst verprügeln. Inzwischen haben die Aliens gemerkt, daß sie einen neuen Feind haben, und versuchen, ihn kaltzustellen. Piper und David beschließen, den Fernsehsender zu zerstören, der die einlullenden Botschaften versendet. Dabei hilft ihnen die Fernsehmoderatorin Meg Foster. Es zeigt sich, daß es einige Menschen gibt, die mit den Aliens kollaborieren. Es geht natürlich darum, die Bodenschätze der Erde auszubeuten, möglichst ohne daß die Menschheit davon überhaupt etwas mitbekommt. Foster erweist sich zwar ebenfalls als Komplicin der Außerirdischen, aber schließlich gelingt es, den Sender abzuschalten, und – gleichsam als Schlußgag – werden die Aliens mit einem Schlag für alle Menschen sichtbar. Für viele eine ganz schön gruselige Erfahrung.

Diese Aliens haben in letzter Zeit als „Reptiloiden“ bei Teilen der deutschen Bevölkerung eine unerwartete Renaissance erlebt. Carpenter machte 1988 noch deutlich, daß er diese Alien-Invasion nicht wirklich ernst nimmt. Trotzdem ist „Sie leben!“ über weite Strecken sehr spannend. Den Zweikampf zwischen Piper und David hätte ich freilich anders aufgezogen, denn in dem Streit geht es lediglich darum, ob David eine Sonnenbrille aufsetzt oder nicht… Piper ist natürlich kein zweiter Kurt Russell, aber er macht seine Sache doch ganz ordentlich – vor allem wenn man bedenkt, daß er eigentlich Profi-Wrestler und damit nur bedingt ein Schauspieler ist. In die Wrestler-Szene scheint Carpenter gute Kontakte gehabt zu haben, denn in „Die Klapperschlange“ tritt ja auch einer auf: Ox Baker, wenn auch nur in einer Nebenrolle.

Jedenfalls macht mir dieser kleine Film immer wieder Spaß. Und er bestärkt mich in meinem Entschluß, besser keine Zeit mit TV-Glotzen zu verschwenden. Die Botschaften, die das Fernsehen vermittelt, sind nicht gut für mich…

Geändert von Peter L. Opmann (18.05.2023 um 10:16 Uhr)
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