Tatort Folge 18 "Kressin und die Frau des Malers" (Bundesrepublik Deutschland 1972, WDR), Drehbuch: Pim de la Parra, jr., Klaus Recht und Hans Heinrich Ziemann, Regie: Pim de la Parra, jr., 80 min
Das dürfte der erste Kunstkrimi in dieser klassischen deutschen Serie gewesen sein.
Ursprünglich sollte Zolloberinspektor Kressin in einer eigenen Serie auftreten; weil die ARD wegen der Reihe
Tatort in Zugzwang geriet, wurde sie kurzerhand eingebunden. Der Erfinder der Figur, Wolfgang Menge, hatte sich schon im
Tatort-Vorläufer
Stahlnetz bewährt und schlug jetzt mit Zollfahnder Kressin neue Wege ein.
Denn der lebenslustige Charmeur und Womanizer in seinem Sportwagen lebt auf großem Fuß und löst seine Fälle im Alleingang zwar mit Biß, jedoch eher nonchalant nebenbei. Kressin ist eine Generation jünger als die bärbeißigen Kommissare der frühen Reihe, die noch in Tradition von Fritz Langs Kommissar Karl Lohmann stehen. Der weltgewandte Kressin verkörpert den Zeitgeist der 68er mit lockeren Sprüchen, unkonventionellen Methoden und teilweise zwei Freundinnen gleichzeitig, während er sein Leben genießt. Im Gegensatz zu den bürokratischen Ermittlern erfüllt er eher die Rolle eines pfiffigen Tricksters.
Die Kunstepisode ist der vierte Fall für Kressin. Das reale Vorbild für den fiktiven Maler Fred dürfte der österreichische Maler Arnulf Rainer (Jahrgang 1929) gewesen sein, der für seine Übermalungen bekannt geworden ist.
Die Episode beginnt mit einem Raub von drei kleinformatigen Gemälden in einer Kunsthalle, die zwei Diebe seelenruhig mit ihrem Messer aus dem Rahmen schneiden. Als dabei ein Alarm ausgelöst wird, flüchten sie in einem Wagen.
Unterdessen amüsiert sich Kressin auf einer Party, wo ihm eine tanzende Blondine ins Beuteschema gerät, Anna Markwitz, die Frau des Malers. Sein Bekannter macht ihm klar, daß er sich an der emanzipierten Anna die Zähne ausbeißen wird. Weil ihm der Name Markwitz nichts sagt, zeigt ihm eine andere Bekannte Fred Markwitz' Gemälde "Das Gerippe auf dem Eisschrank", das in der Location hängt. Markwitz habe zahlreiche Ausstellungen und sei berühmt für seine Übermalungen und Collagen, bei denen er Stilelemente alter Meister mit modernen Gegenständen kombiniert.
Am nächsten Tag schickt ihn sein Vorgesetzter zum Zollamt, wo wächserne Schaufensterpuppen geschmolzen sind, in denen gestohlene Madonnen versteckt waren. Über die Lieferadresse der Sendung nach Amsterdam kommt Kressin auf die Firma I.K.S. Internationale Kunstspedition in Köln. In deren Büro trifft er zuerst nur die Sekretärin Eva an. Später erscheint ihr Chef Jan Morton, der sich den Vorwürfen durch Flucht entzieht.
Bei einem Kirchenraub fliegen die Diebe auf und überfahren auf der Flucht einen Polizisten. Weil die Museen ihre Stücke mittlerweile besser gesichert haben und die Diebe gesucht werden, bekommen Mortons Handlanger Muffensausen. Mortons rechte Hand Max bringt seine Komplizen um. Kressin findet die beiden Leichen in einem ausgebrannten Lieferwagen.
Weil Morton auch moderne Kunst transportiert, stößt Kressin auf Fred Markwitz, den er in seinem Atelier auf einem abgelegenen Gehöft aufsucht. Anna Markwitz weist ihn schroff ab. Kressin schleicht sich später unbemerkt ein und hört dabei, wie der Maler und Max streiten, denn Markwitz möchte aus dem Geschäft aussteigen, zu dem Max ihn erpreßt hat.
Kressin kann zwar Max festnehmen und im Atelier ein echtes Gemälde sicherstellen, doch die Bande hatte insgesamt 28 Bilder aus dem Mittelalter und der Renaissance gestohlen. Um die restlichen Gemälde zu finden, die nicht als Hehlerware aufgetaucht sind, reist Kressin mit Eva nach Amsterdam, wo Morton eine Galerie hat.
Eva erkennt diese nach einer geraumen Suche in der Galerie Hamer wieder. Sie macht Kressin darauf aufmerksam, daß die Galerie einen zweiten Raum besitzt. Plötzlich kommt aus dem Keller ein älterer Mann, der auf die Straße geht und mit Anna Markwitz in ein Auto steigt. Der ältere Herr ist der reiche Kunstsammler Stelldom und die Frau des Malers seine Geliebte.
In der Nacht besucht Kressin Stelldoms Anwesen, auf dem sich Stelldom, Anna und Morton eingefunden haben. Morton bittet Stelldom, ihm seine Sammlung zu zeigen. Stelldom kommt dem nach, doch rüpelhaft beschädigt Morton zwei Gemälde und droht mit weiteren Verwüstungen, wenn Stelldom ihm kein Schutzgeld von 100.000 Gulden jährlich zahlt. Eingeschüchtert schreibt Stelldom sofort einen Barscheck, den Anna an sich nimmt, nachdem sie Morton erschossen hat.
Jetzt gibt Fred Markwitz zu, daß er die Originale bei sich deponiert hatte. Stelldoms Sammlung bestand bloß aus Kopien. Fred läßt seinem Zorn in einem Monolog freien Lauf, denn er fühlte sich von Anna betrogen, die ihn als Trottel verachtete und ihn zur stumpfsinnigen Arbeit des Kopierens zwang. Kressin weist ihn auf seine Strafe hin, das sei der Lohn dafür, sich mit Gangstern eingelassen zu haben. Fred winkt leichtfertig ab; ihm sei alles recht, solange er die geldgierige Hexe nicht wiedersehen muß.