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Alt 16.02.2023, 13:43   #145  
Servalan
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Броненосец Потёмкин | Bronenossez Potjomkin | Panzerkreuzer Potemkin (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 1925, Goskino), Drehbuch: Nina Agadshanowa-Schutko, Sergej Eisenstein, Nikolai Asejew und Sergej Tretjakow, Regie: Sergej Eisenstein, ca. 74 min

Der schwarzweiße Propandafilm hat Filmgeschichte geschrieben, obwohl er in zahlreichen Ländern zensiert, erheblich gekürzt und mit Verboten belegt war. Nicht nur wegen der Abspielgeschwindigkeit des Stummfilms, die bei 18 Bildern pro Sekunde lag, unterscheidet sich die heutige Laufzeit je nach Version und liegt zwischen 68 und 80 Minuten.
So heißt es auf Marx21.de über ihn:
Zitat:
Ein Film, der in Teilen der USA als »Blaupause für Meuterei« verboten war, dessen Kopien in Frankreich verbrannt wurden, der in Großbritannien bis 1954 illegal war und den indonesische Matrosen 1933 zum Anlass für einen Aufstand nahmen. Ein Film, dessen Aufführung in Berlin durch eine Demonstration erzwungen wurde, und von dem Bertolt Brecht berichtete, dass neben ihm »selbst die Ausbeuter ergriffen wurden von jener Bewegung der Zustimmung angesichts der Tat revolutionärer Matrosen«.
Eisenstein kam vom revolutionären Theater und wollte mit den Sehgewohnheiten brechen, um durch seine Bildsprache direkt die Emotionen des Publikums zu treffen. Im Gegensatz zum oft unsichtbaren Schnitt im Erzählkino, wie es David Wark Griffith zum Beispiel in Intolerance (USA 1916) etablierte, wirkt Eisensteins Attraktionsmontage durch einen sichtbaren Schritt, der assoziativ und abstrakt das Geschehen aufbricht.
Wegen des weltweiten Erfolges verlangten auch antikommunistische Staaten nach Filmen, die ähnlich wirken sollten.

Panzerkreuzer Potemkin war ein staatliches Auftragswerk, mit dem der Matrosenaufstand in Odessa 1905 sein 20jähriges Jubiläum zelebrieren sollte. Denn die Revolution von 1905 galt in der Sowjetunion als einer der Vorläufer der siegreichen Oktoberrevolution von 1917, weswegen Eisenstein den Aufstand fiktiv zu einem Sieg der meuternden Matrosen umdeutet.
Der Plot ist dünn: Wegen der schlechten Versorgungslage meutern die Matrosen auf dem Panzerkreuzer Potemkin. Der Kapitän will die Meuterer erschießen lassen, aber die Soldaten verbünden sich mit den Matrosen und es kommt zum Aufstand. Dabei geht der Rädelsführer Wakulintschuk über Bord. Dessen Leiche wird geborgen und im Hafen von Odessa in einen Zelt abgelegt. Die Bevölkerung von Odessa spendet aus Mitleid den Meuteren Lebensmitteln, die mit kleinen Segelbooten zum Panzerkreuzer auf Reede gebracht werden. Von der Hafentreppe beobachtet die Bevölkerung jubelnd und winkend das Spektakel, bis Kosaken in Linie und Gleichschritt heranrücken und in die Menge schießen. Es kommt zum Massaker.
Da greift der Panzerkreuzer ein und schießt auf das Theater in Odessa, wo sich das Hauptquartier der Armee befindet. In der Nacht rückt ein Geschwader der zaristischen Marine an und kesselt den Panzerkreuzer ein. Der rüstet sich am Morgen für den Kampf und bietet den Gegnern Paroli, die sich daraufhin mit den Meuterern verbünden.

Der Film orchestriert über weite Strecken Menschenmengen und verzichtet auf eine Individualisierung der Figuren, die hier eher stellvertretend für Teile der Bevölkerung Typen darstellen.
Bis in die Gegenwart reicht der filmische Einfluß dieses Meisterwerks; besonders die Szene auf der Hafentreppe von Odessa, die durch die Montage gedehnt und gestreckt wird, wird gern in Spielfilmen zitiert. Die experimentelle Montage hat sich in Musikvideos, Werbespots und besonderen Sequenzen in Blockbustern als filmisches Mittel durchgesetzt und ist zum Standard geworden.
Der Klassiker findet sich kostenlos im Internet in verschiedenen Versionen, leider häufig ohne Ton.

Geändert von Servalan (05.04.2024 um 14:41 Uhr)
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