Thema: Filmklassiker
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 21.11.2022, 15:15   #17  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.589
Habe mich daran erinnert, daß der Ausgangspunkt dieses Threads mal Angela Lansbury, beziehungsweise Margaret Rutherford war, und will daher nun mal einen Film beleuchten, der in diese Richtung geht: „Ladykillers“ (1955) von Alexander Mackendrick. Ich bin nicht sicher, ob dieses Werk jeder kennt oder ob man es mal wieder in Erinnerung rufen sollte. Ich glaube, der Film kommt nicht mehr so oft im Fernsehen wie früher, aber ich habe keinen Fernseher. Die traditionell-britische Atmosphäre erinnert ziemlich an die alten „Miß Marple“-Filme, aber die Story wird etwas ungewöhnlicher erzählt als die „Whodonits“ von Agatha Christie, und vielleicht ist die schrullige, aber unterschätzte Mrs. Wimmerforce noch eine Idee fabelhafter als die erwähnte Miß Marple.

Gespielt wurde die alte Dame von Katie Johnson, die nur hier, beinahe am Ende ihrer Schauspielerinnenkarriere, eine durchschlagende Hauptrolle hatte. Sie ist eine alleinstehende Kapitänswitwe und wohnt zusammen mit dem vom Gatten übriggebliebenen Papagei in einem kleinen, altersschwachen Häuschen mitten in London. Wie Rutherford hat sie ein besonderes Verhältnis zur Polizei, aber sie meldet auf dem Revier ab und zu merkwürdige Beobachtungen, die ihrer Fantasie entspringen. Die Polizei nimmt sie nicht ernst, behandelt sie aber rücksichtsvoll. Eines Tages klingeln fünf seltsame Männer bei ihr, die ein Zimmer mieten wollen, weil sie angeblich eine Möglichkeit suchen, als Kammerorchester zu proben. Mrs. Wimmerforce ist hocherfreut über ihre kulturbeflissenen Mieter; die legen aber immer nur eine Schallplatte auf und beraten über einen geplanten Banküberfall. Für sie ist ihre Vermieterin ein Glücksfall: Sie finden sie „überkandidelt“ und sind sicher, daß sie von ihren Aktivitäten garantiert nichts mitbekommt.

Genauso sieht es aus. Die Fünf beauftragen Mrs. Wimmerforce sogar, unter einem Vorwand für sie den Geldkoffer abzuholen, den sie zur Tarnung zunächst in einem Schließfach verstaut haben. Obwohl sie unversehens beinahe bei der Polizei landet, bringt sie den Koffer tatsächlich wohlbehalten nach Hause. Als die Gauner sich verabschieden, springt der Koffer aber versehentlich auf, und die alte Dame bekommt die vielen Geldscheine zu sehen, die daraus hervorquellen. Und nun treten unerwartete Probleme auf. Obwohl Mrs. Wimmerforce von ihren Mietern immer noch eine hohe Meinung hat, redet sie ihnen ins Gewissen, das Geld zurückzugeben und den Überfall zu gestehen, was für sie natürlich überhaupt nicht in Frage kommt. Sie läßt sich auch nicht dadurch beirren, daß sie laut den Gangstern als Komplizin angesehen würde und auch ins Gefängnis müßte. Daher überlegen sie nun, wie sie die lästige Mitwisserin aus dem Weg räumen können.

Allerdings bringen es zwei der Gangster nicht übers Herz, die Frau umzubringen. Nun müssen sie sterben und auch ein Dritter, der Mrs. Wimmerforce ausdrücklich verteidigt. Die Leichen werden jeweils durch Güterwaggons entsorgt, da eine Bahnlinie direkt am Haus vorbeiführt. Die beiden abgebrühtesten Bankräuber geraten darauf miteinander in Streit wegen der Beute. Bei ihrem Kampf auf Leben und Tod landen auch sie schließlich tot auf Güterwaggons. Mrs. Wimmerforce geht derweil wieder einmal zur Polizei und erzählt die Sache mit dem Geldkoffer. Da aber von der Bande nichts mehr zu sehen ist, glaubt ihr die Polizei erneut nicht. Der Officer, dem sie sich anvertraut hat, ermuntert sie sogar, das Geld in dem Koffer einfach zu behalten. Bei ihr sind die Scheine tatsächlich gut aufgehoben…

Ich habe noch nicht erwähnt, wer die fünf Gangster spielt. Zwei große Namen sind dabei: Alec Guinness (als Kopf der Bande) und Peter Sellers. Herbert Lom kann man auch aus der „Rosarote Panther“-Serie kennen, und ich sehe gerade, daß er auch den Bösewicht in Harald Reinls „Der Schatz im Silbersee“ spielte (war mir bisher nicht bewußt). Cecil Parker war unter anderem in „Der Hofnarr“ mit Danny Kaye und „Indiskret“ von Stanley Donen vertreten (wo ich ihn jeweils nicht erkannt habe). Danny Green schließlich taucht mal in „Sindbads siebte Reise“ auf, einem Film, der durch die Mitwirkung von Ray Harryhausen eine gewisse Bedeutung hat.

Regisseur Mackendrick konnte, ähnlich wie Hitchcock, nach dem Erfolg der „Ladykillers“ nach Hollywood gehen, machte dort aber Filme, die beim Publikum nicht ankamen. Deshalb lehrte er dann am California Institute of the Arts. Der Film selbst gewann nur britische Filmpreise und war ansonsten gerade mal für einen Oscar für das Drehbuch nominiert. „Ladykillers“ wurde jedoch immer wieder erfolgreich auf die Bühne gebracht, und immerhin haben die Brüder Coen 2004 ein Remake gedreht, das den Stoff klugerweise völlig neu interpretierte. Ihnen war vermutlich klar, daß man diesen Film nicht mehr verbessern kann.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten