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Alt 17.03.2021, 11:26   #3954  
pecush
Geisterjäger
 
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Dracula (von Pascal Croci)

Kaum einen Roman habe ich öfter gelesen als Bram Stokers "Dracula"; weniger literarische Figuren habe ich durch die unterschiedlichsten Adaptionen und Bearbeitungen begleitet wie diesen Blutsauger.
Während ich auf die Auslieferung der Comicadaption im Splitter-Verlag warte, stolperte ich über die zweiteilige Comicversion des Franzosen Pascal Croci (danke excelsior1166!), in Deutschland gebündelt erschienen bei Ehapa.
Im Gegensatz zu vielen anderen Interpretationen, vermischt Croci hier Dichtung und Wahrheit auf recht interessante Weise.
Der erste Teil erzählt, wie Bram Stoker (vermeintlich) das Leben Draculas recherchierte - wodurch eine Biografie des Fürsten Vlad III. Drăculea (Tepes) entsteht, die Fakten und Fiktion mischt; interessant zum Beispiel das Barmherzigkeitsemfinden Tepes: "Ich sperre arme Menschen ein und setze das Gebäude in Flammen, dann sind die danach nicht mehr arm."
Zudem punktet dieser Teil des Comics damit, eine Carmilla-Legende und die Stoker-Erzählung "Draculas Gast" mit der Tepes-Geschichte zu verknüpfen.
Sehr stark!
Im zweiten Teil folgt eine Version des berühmten Schauerromans. Und dieser zweite Teil fällt leider deutlich ab.
Auf der Haben-Seite steht die Grafik: Die Illustrationen erschaffen eine Winterlandschaft, die an "Tanz der Vampire" erinnert, wie Croci selbst betont. Von Bildern, die man dank Christopher Lees Gruselfilme erwartetet hätte, bleibt da wenig übrig. Zudem wird ein großes Kopfkino entworfen, denn die Bilder zeigen nicht das, was erzählt wird, sondern bieten nur eine atmosphärische Kulisse. Dracula zum Beispiel ist nie zu sehen. Es wirde nur über ihn gesprochen - übrigens ins Zitaten aus dem Roman.
Allerdings ist Stokers Geschichte arg gekürzt, sodass man der Handlung eigentlich nur folgen kann, wenn man sie kennt; prinzipiell kein Problem, aber unschön. Van Helsing ist plötzlich vor Ort, Jonathan Harkers Rückkehr aus den Karpaten wird nicht deutlich, was auf der Demeter passiert, nicht erklärt, Figuren fehlen oder werden umgebaut. Von Filmen ist man dies gewohnt, hier schmälern solche Unklarheiten das Lesevergnügen - vor allem nach dem starken Beginn.
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