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Alt 09.01.2021, 20:15   #3603  
God_W.
Captain Rezi
 
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The Crow – Ultimate Edition



Es war noch zu Zeiten von VHS-Kassetten und Mundpropaganda, als der übernatürlich angehauchte FSK 18 Rachethriller „The Crow – Die Krähe“ zum Kultfilm avancierte. Ungewöhnlich viel Publicity für ein derartiges Genre-Werk erhielt der Streifen nicht zuletzt durch den tragischen Tod des Hauptdarstellers Brandon Lee im Verlauf der Dreharbeiten. Diese mysteriöse Tragödie schockierte und faszinierte damals gleich doppelt, war Brandon Lee doch der Sohn der ebenfalls unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommenen Film- und Kampfsportlegende Bruce Lee.

Natürlich war ich auch lange nach der Kinoauswertung noch viel zu jung, als „The Crow“ zum absoluten Renner der Videotheken wurde. Zum Glück kannte der Chef der kleinen Dorf-Videothek auch seine jüngeren Stammkunden sehr gut und drückte so manches mal ein Auge zu, denn er wollte ja, dass wir Jungspunde noch häufig bei ihm reinschleichen. Man hatte schnell ein stilles Abkommen geschlossen, dass man sich nur in die FSK18-Ecke vorwagte, wenn keine anderen Kunden zugegen waren und dann wurde der Leihvorgang schnellstens abgewickelt und man verschwand mit den erbeuteten Schätzen schleunigst nach Hause, wo die Kumpels schon sehnsüchtig warteten.

Der Film von Musikvideo-Regisseur Alex Proyas (Dark City / I, Robot) hat mich ein Stück weit ganz schön geprägt in meiner Jugend. Ich wollte ja selbst lange Zeit Regisseur werden als Kind, das oder Astronaut waren so meine Traumberufe, und habe in dieser Zeit auch mal zwei Drehbücher verfasst. Da waren Unmengen an Schnipseln aus anderen Filmen drin verewigt, recht blutig und mit Horror-Touch. Ein paar Szenen habe ich mit einigen Buddies und ner alten Kamera sogar gedreht. War ganz schön knifflig diese 25-Minuten-Bänder dann mit mehreren Videorekordern zusammenzuschneiden. Im Nachhinein wäre ich vielleicht ein deutscher Tarantino geworden? Aber egal, auf jeden Fall haben mich die düsteren Bilder im Zusammenspiel mit den grandiosen Sets und des eindringlichen Soundtracks absolut gefesselt. In Verbindung mit dem intensiven Schauspiel aller Beteiligten und der rohen Gewalt entfaltete diese wunderbare Komposition eine Kraft, wie ich sie bis dato auf der Leinwand nur selten erlebt hatte.

Dass es sich dabei um eine Comicverfilmung handelte war mir über lange Jahre gar nicht bewusst – und wenn dann hätte es mich vermutlich wenig interessiert, denn bis zum Herbst 2018 hatte ich nur sehr wenig mit dem Medium am Hut. Irgendwann Mitte 2019 hat mich ein Forenmitglied aus dem alten Panini-Forum auf den Comic aufmerksam gebracht und ich – sofort hellhörig geworden – begab mich auf die Suche. Ich wurde auch fündig, sicherte mir ein altes Exemplar und dann… ja, dann kam Jano von Dani Books mit der Ankündigung seiner „The Crow – Ultimate Edition“ um die Ecke. Eine wahre Überraschung in der Szene, denn den Titel hatte wohl keiner mehr auf dem Zettel, und schon gar nicht bei Dani Books. Als Jano dann auch noch den Besuch von Autor und Zeichner James O‘ Barr für den Comic-Salon in Erlangen 2020 ankündigte war ich schon im siebten Himmel. Was daraus wurde ist fatale Geschichte und weithin bekannt, aber dennoch war es zur Adventszeit 2020 endlich so weit, und Jano bescherte uns „The Crow“ in der ultimativen Edition.

Die knallharte Rachestory um den Musiker Eric Draven, der von der Krähe aus dem Reich der Toten zurückgebracht wird um seinen eigenen Tod, und vor allem den an seiner geliebten Shelly zu rächen ist ja mittlerweile weithin bekannt, alleine durch all die Filme und die kurzlebige TV-Serie. Dennoch ist es ein Erlebnis der ganz besonderen Art diese ergreifende Story jetzt endlich in der von James O‘Barr favorisierten, endgültigen Fassung bewundern zu dürfen. So sind 30 Seiten enthalten, die wir in der Form nie zuvor zu Gesicht bekamen. Dieses zusätzliche Material wurde teilweise restauriert, teilweise ganz neu gezeichnet, wobei O’Barr exakt die gleichen Techniken verwendete wie damals, also noch ohne digitale Zeichnungen. Das geht sogar so weit, dass für Graustufen und Schatten teilweise Reste von damals schon benutzter Rasterfolie eingesetzt wurden.

Überhaupt ist das Artwork eine visuelle Achterbahnfahrt. Mal harte, blutige Undergroundzeichnungen, düster und triefend vor Schwärze, dann wieder wunderschöne, sanfte und weiche Bilder, die eine zerbrechliche Eleganz ausstrahlen, wenn sich Eric an die gemeinsame Zeit mit Shelly zurückerinnert. Insgesamt viel abwechslungsreicher, detaillierter und aufwändiger als ich es erwartet hatte! Der Zorn, die Trauer, aber auch die innige Liebe, die in der Geschichte mitschwingt, hat O’Barr doch mit dem Werk versucht einen tiefen persönlichen Verlust zu verarbeiten, begleitet mich auf jeder Seite der Lektüre. Ich persönlich habe das Buch kurz nach Weihnachten, zwischen dem Tod und der Beerdigung einer geliebten Person gelesen. Auch wenn die Umstände ganz anders, und weit weniger tragisch waren als im Comic, haben mich die Gefühle des Autors doch klar erreicht und mitgenommen. Nach dem Ende saß ich noch eine Weile grüblerisch in meinem Lesesessel und empfinde es so, dass mich das Buch trotz all der Trauer und Grausamkeit nicht mit negativen Gefühlen, sondern mit Hoffnung und irgendwie befreit zurücklässt. Wunderschön.

Dennoch gibt es auch Aspekte, die mit in der Kinoauswertung besser gefallen haben. Neben den etwas „kreativeren“ Tötungsarten ist das vor allem die wunderbar sensibel eingeflochtene, und auch toll gespielte Rolle der kleinen Sarah, die mit dem von Drogen bestimmten Lebenswandel ihrer Mutter zu kämpfen hat und ganz toll mit Cop Ernie Hudson harmoniert. Dafür kann der Comic mit den viel lyrischer anmutenden und tiefer gehenden Rückblenden auf die Beziehung von Shelly und Eric aufwarten, die zwar im Film auch nicht schlecht sind, dem Werk O’Barrs aber nicht ganz das Wasser reichen können. Meide Werke haben also auch unabhängig voneinander absolut ihre Daseinsberechtigung, gerade wo sich die Story auch in vielen Punkten stark unterscheidet.

Im Nachgang habe ich natürlich auch mit der alten Ausgabe von Kult Editionen verglichen und kann sagen, dass mir sowohl der Druck, das Papier, vor allem aber auch Janos Übersetzungsarbeit (da gab es nur eine Stelle, an welcher ich ein Wort anders übersetzt hätte) viel besser gefällt, als die ursprüngliche, mittlerweile 25 Jahre alte Ausgabe. Dazu das feine Bonusmaterial mit einem Vorwort des Autors, einem kleinen Making-Of in dem auch der deutsche Herausgeber und Übersetzer Jano Rohleder zu Wort kommt, einer Einführung von John Bergin und einem Schwung Zeichnungen und Coverillustrationen im Anhang. All das in einem schicken Hardcover, und zwar in jeder der drei aufgelegten Varianten.

Neben der preisgünstigen „Standard-Ausgabe“, die für schlanke 25,00 Euro schon mit ordentlicher Fadenheftung und einer schön griffigen Softtouchkaschierung aufwartet, gibt es eine auf 222 Stück limitierte „blutige“ Variante mit einem vom Autor persönlich signierten Kunstdruck und schließlich noch eine mit blutroter Folie geprägte Kunstlederausgabe, die sogar mit zwei von James O’Barr signierten Drucken daherkommt. Die „bloody“ Variante kostet 39,99€, letztere schlägt mit 66€ zu Buche. Inhaltlich sind die Bände absolut identisch und sogar eine Digital Copy wird ohne Zusatzkosten mitgeliefert. Das nenne ich mal Service.

Es gibt also keinen Grund sich dieses absolut verdiente Kult-Werk nicht in der aktuellen Dani Books Variante – welche der dreien auch immer – nach Hause zu holen, sich zu finstrer Nacht, oder an einem trüben Tag in den Lesesessel zu klemmen, idealerweise den absolut hervorragenden Soundtrack des zugehörigen Kinofilms im Hintergrund abzuspielen, und sich zusammen mit Eric auf den Schwingen der Krähe davontragen zu lassen.

10/10



Meine limitierte Gesamtausgabe von Kult Editionen enthält neben dem hervorragenden Hauptwerk noch die beiden Fortsetzungen Dead Time sowie Flesh & Blood.

The Crow – Limitierte Gesamtausgabe (Kult Editionen)



The Crow – Dead Time

Na das ist doch mal eine positive Überraschung! Die Autoren James O’Barr und John Wagner wagen es doch glatt keine blasse Blaupause des grandiosen Originals abzuliefern, sondern begehen neue Wege und fügen der Story um die Krähe spannende Facetten hinzu. Die auf zwei Zeitebenen angesiedelte Story um den Indianer Joshua, den zu Bürgerkriegszeiten eine innige Liebe mit einer Weißen verband ist eine deutliche Anklage gegen den Genozid an den amerikanischen Ureinwohnern, bei der die Soldaten der Kavallerie am schlechtesten wegkommen. Diese Gräuel bekommen wir parallel zur eiskalt servierten Rache an einer skrupellosen Biker-Gang in unserer Zeit serviert. Diese beiden parallel erzählten Handlungsstränge, die sich zu ein und derselben Story verbinden kommen anfangs etwas verwirrend daher, laden aber nicht zuletzt durch das wirklich hervorragende Artwork von Alexander Maleev zum längeren Verweilen ein, bis sich einem alles erschließt. Insgesamt vielleicht etwas verquast erzählt und ein wenig zu kurz, hätte doch durch etwas mehr Umfang einiges klarer gestaltet werden, und die die Bindung zum Hauptcharakter enger gezogen werden können. Dennoch ziemlich stark und durch die Bilder nochmal besser.

7,5-8/10



The Crow – Flesh & Blood

Eine Frau in die Hauptrolle zu setzen hätte für frischen Wind im Franchise sorgen können und mir persönlich auch sehr gut gefallen. Iris Shaw ist grundsätzlich auch ein starker Charakter, dem ich gerne durch die Geschichte folge. Das Leid, welches sie erfahren hat, dessen gesamtes Ausmaß sich erst im späteren Verlauf der Story erschließt, rechtfertigt auch durchaus ihre Taten. Dennoch will die grundlegende Geschichte um die Rednecks im Hinterland, die reichsbürgermäßig gegen das System rebellieren nicht zünden, kommt eher platt und lächerlich daher. Nein, das war leider nix tolles, was Autor James Vance hier zusammengeschrieben hat. Vermutlich ist das auch Autor Alexander Maleev aufgefallen, denn sein Artwork wirkt etwas lustloser als beim Vorgänger. Das sieht zwar noch immer gut aus, steht aber doch hinter den beiden Vorgänger-Bänden.

4/10



Ja, das konnte man beides lesen und ich habe mich vor allem bei Dead Time auch gut unterhalten gefühlt. aber der große Wurf war das schlussendlich leider nicht. Ob ich mir den vierten Band Wild Justice auch noch besorge? Ich denke nicht. Für mich bleibt „The Crow“ wohl ein Werk, welches für sich allein stehen sollte. Auf die Art funktioniert es perfekt und ist etwas Besonderes, alles weitere kann diesen Mythos nur schmälern. In der Beziehung fühle ich mich ein wenig an „Highlander“ erinnert, denn auch da hätte es nur einen geben sollen, zumindest was die Kinofilme angeht.

Ganz ähnlich ist es bei der Filmreihe zu „The Crow“ auch. Kann man Teil zwei „The Crow - Die Rache der Krähe“ mit Vincent Perez, Iggy Pop und Thomas Jane zwar noch schauen, auch wenn Perez – Achtung Wortspiel – ziemlich blass bleibt -, aber der Soundtrack ist ganz brauchbar und der Film ordentlicher Durchschnitt, ist spätestens ab Teil drei „The Crow – Tödliche Erlösung“ Schluss mit Lustig. Eric Mabius in der Titelrolle ist einfach viel zu sehr Saubermann und Schönling, als dass er bedrohlich wirken könnte, Kirsten Dunst mit ihrem transusigen Gesichtsausdruck geht echt gar nicht mehr, was für mich mittlerweile ein echtes Manko der Maguire-Spideys darstellt. Seltsam, hat mich früher nicht so gestört, aber irgendwann habe ich wohl eine echte Abneigung gegen ihr Schauspiel entwickelt. Auch prominente Gesichter wie Fred Ward von den Raketenwürmern und William Atherton (der Reporter aus Stirb Langsam 1+2) können die viel zu vorhersehbare Story nicht retten. Den Vogel schießt dann aber „The Crow – Wicked Prayer“ ab. Das absolut unschaubare Machwerk mit Edward „Terminator 2“ Furlong – den ich eigentlich trotz seiner Abstürze immer gerne gesehen habe – ist im Grunde eine absolute Frechheit. Tara Reid war damals auch schon stark auf dem absteigenden Ast, David Boreanaz funktioniert als Antagonist auch nicht wirklich, da einfach nicht bedrohlich, und wie sich Danny Trejo, Macy Gray und Dennis Hopper in dieses billige Machwerk verirren konnten wird mir immer ein Rätsel bleiben, so zugedröhnt kann ich gar nicht sein, dass ich das gut finden könnte.

Meine Wertungen für die vier Streifen:

The Crow – Die Krähe 10/10
The Crow – Die Rache der Krähe 5,5/10
The Crow – Tödliche Erlösung 3,5/10
The Crow – Wicked Prayer 2/10

Als Teenie fand ich die TV-Serie mit Mark Dacascos in der Hauptrolle ganz brauchbar, vor allem hat der die Krähe in meiner Erinnerung besser dargestellt als alle Nachfolger von Brandon Lee in den Kinofilmen. Zwar ist mir dereinst schon aufgefallen, dass die Produktion wohl kein hohes Budget zur Verfügung hatte, aber der Serie werde ich demnächst experimentell mal eine Chance auf Scheibe einräumen.

So, das war mein Abriss über die neue Ultimate Edition von The Crow und ein bissl was drumherum. Schaut den ersten Film, lest den Comic in der „Ultimativen“ Fassung und wer nur eins von beiden kennt: Holt das nach und schließt diese Lücke, es lohnt sich! Vom Rest könnt Ihr getrost die Finger lassen, falls Ihr nicht zu den ganz großen Fans gehört, für die gibt es nämlich zumindest bei den Comics noch die ein oder andere Facette der Grundidee zu entdecken.

VG, God_W.
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