Tatort (Folge 579) "Teufel im Leib" (Deutschland 2004, Telefilm Saar GmbH im Auftrag des Saarländischen Rundfunks für Das Erste), Drehbuch: Jochen Senf und Hans-Christoph Blumenberg, Regie: Hans-Christoph Blumenberg, 88 min
Der 17. und vorletzte Fall für Kriminalhauptkommissar Max Palu, der von 1988 bis 2005 in Saarbrücken ermittelte, zitiert im Episodentitel französische Weltliteratur: 1923 erschien bei Grasset der Skandalroman
Le Diable au corps (deutsche Titel:
Teufel im Leib oder
Stürmische Jugend) von Raymond Radiguet um eine Amour fou im Ersten Weltkrieg. Grasset vermarktete den Erotikthriller als Romandeüt eines 17jährigen. Mit nur 20 Jahren erlag Radiguet dem Typhus.
Seit 1947 wurde der Roman insgesamt fünfmal verfilmt, zuletzt 1986, 1989 und 1990. Marco Bellocchios Fassung
Il diavolo in corpo (Frankreich / Italien 1986, 110 min, FSK: 18) feierte seine Premiere in der Reihe "Quinzaine des Réalisateurs" bei den 39. Internationalen Filmfestspielen in Cannes. Die explizite Sexszene brachte zwar die provozierte Aufmerksamkeit, letztendlich behinderte sie aber die Karriere der Hauptdarstellerin Maruschka Detmers.
Schauspieler und Autor Jochen Senf gelang in seiner Rolle als Max Palu der Durchbruch. Obwohl Senf seinen Kommissar mit autobiographischen Elementen anreichert, wird er von Teilen der Kritik als klischeehaft und behäbig gesehen. Ausflüge ins benachbarte Frankreich und Luxemburg sind in saarländischen Krimis üblich.
Historisch wurde das formell selbständige Saargebiet zwischen 1947 und 1957 von den französischen Alliierten kontrolliert, und wurde erst nach der "kleinen Wiedervereinigung" das kleinste Flächenland unter den Bundesländern. Dementsprechend reichert französisches Savoir-vivre das Ambiente an, vor allem Palus Vorliebe für gutes Essen.
Der Episodentitel zählt ebenfalls dazu, zumal die Filmhandlung und der Roman höchstens auf abstrakter Ebene etwas miteinander zu tun haben: Sowohl bei Radiguet als auch bei Palu geht es das schwierige Verhältnis zwischen Männern und Frauen, um Weiblichkeit an sich und den sogenannten Krieg der Geschlechter.
Die Anästhesistin Dr. Barbara Schreiner bereitet in ihrem Atelier ihre letzten Bilder für ihre Ausstellung "Teufel im Leib" vor, die demnächst in der Galerie Alain in Saarbrücken ihre Vernissage feiern wird. Ihre Gemälde zeigen vergrößerte Operationsfotos von Frauen mit vernarbten Körpern, die sie mit rotem Airbrush übermalt. Zu ihren Bewunderern gehört der Schönheitschirurg und Klinikprofessor Dr. Till Pfortner, der plötzlich bei ihr eindringt. Es kommt zu einem Streit, denn sie wirft ihn hinaus, was Max Palu zufällig mitbekommt, weil ihn der Lärm in der Nähe aufschrecken läßt.
Die junge Motocross-Fahrerin Sandra Waller ist nach einem Unfall mit ihrem Motorrad Patientin bei der Schmerztherapeutin Dr. Cordula Scholz, die sie in ihrer Klinik beaufsichtigen will, doch Sandra bricht immer wieder aus. Die zornige Frau rennt vor ihrem Schmerz davon und läuft Palu in ihrer schwarzen Motorradkluft immer wieder über den Weg, weshalb der Kommissar stutzig wird.
Palus Fall beginnt im engeren Sinne mit der im Atelier ermordeten Dr. Schreiner. Routinemäßig suchen Palu und sein Assistent Deininger die nächsten Verwandten des Opfers auf: Der Gynäkologe Dr. Alfred Waller war mit ihr verheiratet, aber beide haben erhebliche Schwierigkeiten mit ihrer gemeinsamen Tochter Sandra. Dr. Waller sähe es lieber, wenn Sandra ihre Therapie bei Dr. Scholz abbräche, weil er der Schmerztherapeutin mißtraut.
Als am nächsten Morgen Galerist Alain von seiner Assistentin schwerverletzt in seinen Ausstellungsräumen aufgefunden wird, bringt Palu beide Fälle in einen Zusammenhang. Denn zwei Bilder wurden aus der Galerie gestohlen, und die Kataloge zu "Teufel im Leib" sind verschwunden. Palu beschäftigt sich mit Barbara Schreiners Kunstwerken und kommt dadurch suspekten Todesfällen auf die Spur.
Obwohl sie eigentlich kerngesund und jung gewesen ist, verstarb eine ehemalige Schönheitskönigin aus dem Saarland, kurz nachdem sie sich von Dr. Pfortner verschönern ließ. Als OP-Fotos entstanden, sicherte Dr. Barbara Schreiner den Patientinnen zu, das wäre bloß zur medizinischen Dokumentation - allerdings brach sie diese Absprache und verarbeitete sie ohne Einverständnis der Abgebildeten weiter.
Pfortner hat einen schlechten Leumund, weil böse Gerüchte über ihn in Umlauf sind. Zu seinem Glück konnte ihm jedoch nie ein Kunstfehler nachgewiesen werden.
Auf den ersten Blick wird die feministische Body Art der Cindy Sherman (Jahrgang 1954) als Vorbild für Dr. Barbara Schreiners Übermalungen erkennbar: Ähnlich verstörende Blicke auf weibliche Körper lieferte sie in mehreren Serien, die unter anderem 1995 in den Hamburger Deichtorhallen und 1997 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden ausgestellt wurden. Ihre Serien
Disasters (1985 – 1989) und
Sex Pictures oder
Mannequin Pictures (1992) liegen dort, wo sich Modefotografie, Horrorfilm und Pornographie überschneiden.
Trotz ihres Erfolges auf dem Kunstmarkt, ist Cindy Sherman umstritten. Feministinnen sehen in ihren Nachinszenierungen Kritik an traditionellen Frauenrollen, die letztlich zur Befreiung aus der weiblichen Opferrolle beitragen.
Die Tatort-Episode wurde zwar handlich routiniert gefilmt, hat aber mittlerweile etwas Staub angesetzt. Die Pointe des Krimis zeigt jedoch eine bösartige Welt, in der Opfer immer wieder aufs neue viktimisiert werden.
Zuerst verstümmelt ein frauenhassender Schönheitschirurg ihre Körper, die mit dem Busen ein Merkmal "echter Weiblichkeit" verlieren, weil er sich in seinem Machtrausch als Gott fühlt.
Dann verhöhnt sie die Künstlerin Barbara Schreiner und stellt sie gegen ihren Willen öffentlich aus, wofür sie ironischerweise höchstes künstlerisches Lob enthält.
Die wahre Mörderin, Dr. Cordula Scholz, wurde von Dr. Till Pfortner verstümmelt und nutzt ihre Patientin Sandra Waller als Werkzeug, um sich an ihm zu rächen. Daß sie dabei Sandras Eltern umgebracht hat, macht ihre Patientin ein weiteres Mal zum Opfer.