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Alt 28.08.2016, 18:45   #7  
Peter L. Opmann
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Mir fällt als erstes eine Parallelkonstruktion in der Story auf: Zwei Paare; bei dem einen verlangt die Frau nach Rache, und der Mann ist bereit, ihr diesen Wunsch zu erfüllen, bei dem anderen plant der Mann eine Revolte, und die Frau versucht vergeblich, ihn daran zu hindern. Das spricht meiner Ansicht nach dagegen, daß Stan Lee hier nach Marvel-Manier die Story in einer Besprechung mit Jack Kirby nur grob skizziert und am Ende die fertigen Seiten mit Dialogen versehen hat. Diese Story hat er gewiß komplett an der Schreibmaschine erarbeitet.

Die Konstruktion ist aber, wie Michi Diers schon sagte, nicht recht überzeugend. Eine uneingeschränkt gute Figur ist nur die Skrull-Prinzessin Anelle, die den sinnlosen Konflikt abzuwenden versucht. Sue Storm, die verlangt, daß die Skrull für den Tod ihres Vaters bezahlen sollen, steht schnell ziemlich blöd da. Reed Richards bringt sein ganzes Team unnötig in Lebensgefahr – schwer nachvollziehbar, daß er das nicht vorab schon abschätzen und Sue ihren Wunsch mit vernünftigen Argumenten ausreden konnte. Der Kriegslord Morrat ist natürlich eine relativ böse Figur, die blindwütig ihre Umsturzpläne verfolgt.

Aus machiavellistischer Sicht wirkt Morrat allerdings wie ein üblicher Machtpolitiker. Die Fantastischen Vier sind ihm in die Hände gefallen; er gedenkt, die Gunst der Stunde weidlich zu nutzen, um seine Beliebtheit im Volk zu steigern und so den amtierenden König vom Thron zu stoßen. In der damaligen (1965) Gut-Böse-Logik muß er allerdings abgefeimt erscheinen und am Ende in sein Unglück rennen.

Erstaunlich, wie sehr Lee die bevorstehende Hochzeit von Reed und Sue ausschlachtet. In diesem Heft nun wird die Zeremonie geübt – mit Pastor (heute hätte ein Kirchenmann für sowas bestimmt keine Zeit mehr, auch wenn es sich um ein Glamourpaar wie vielleicht Brangelina handelt). Der Homestory kann diesmal allerdings nicht so viel Platz eingeräumt werden wie in den vorherigen Ausgaben. Hartmut Huff bringt ein paar ganz hübsche Wortwitze unter von „Raumschiff Enterprise“ (die Serie gab es 1965 noch gar nicht) bis zum „Wort zum Sonntag“.

A propos Enterprise: Für große Distanzen im All (der Skrull-Planet ist nicht eben in Proxima Centauri zu finden) wendet Lee den selben Trick an, zu dem Roddenberrys Drehbuchautoren dann auch griffen: Das Raumschiff – eine stinknormale, nur etwas (binnen zwei Tagen!) umgebaute Saturn-Rakete der NASA – fliegt durch ein Wurmloch, um sich einen jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelangen Flug zu ersparen. Hier bringt Ding am Ende noch einen netten kleinen Gag unter: Er vermißt bei der Rakete den „Fuchsschwanz an der Antenne“.

Insgesamt ist das eine Episode mit ein paar Schwächen, über die man als Marvel-freundlicher Leser noch hinwegsehen kann. Auch Inker Chic Stone kann – ich bedaure, das feststellen zu müssen – wieder nicht durchgängig überzeugen. Möglicherweise merkt man hier, daß die Arbeit bei Marvel zunimmt und weitere Serien gezeichnet und geinkt werden müssen. Kirby immerhin zeigt keine Ermüdungserscheinungen. Wenn es bei ihm eng wurde, hat er seinen Zeichenstil einfach ein bißchen weiter vereinfacht.
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