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Alt 17.06.2016, 08:43   #3348  
Peter L. Opmann
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FV # 28 (Williams):

Diese Ausgabe finde ich ambitioniert. Richtig gut sind diesmal die Zeichnungen von Kirby/Stone. Und Stan Lee versucht, eine ziemlich komplexe Story zu konstruieren, was ihm aber nur mit Abstrichen gelingt. Ein neues Gestaltungselement scheint mir die Einführung eines Motivs zu sein, das erst in der nächsten Ausgabe so richtig Thema wird: Sues und Johnnys Vater, der irgendwie Dreck am Stecken hat, aber auch ein begnadeter Chirurg ist (davon gibt es bei Marvel übrigens einige; mir fallen spontan Don Blake und Steven Strange ein). Daß das Leben einer Superheldin im Krankenhaus gerettet werden muß, haben wir auch in Rächer # 12/13 gesehen (etwa ein halbes Jahr später erschienen und deutlich melodramatischer inszeniert).

Aber hier beginnen schon die Kritikpunkte: Die Verletzung von Sue wirkt wie ein später Einfall, den Lee noch schnell einbaut, denn sie wird gar nicht gezeigt. Im Gegenteil: Kurz zuvor hat sie sich noch mit ihrem Kraftfeld geschützt. Etwas unglaubwürdig ist auch die Schnelldiagnose von Reed – auch wenn er ein genialer Universalwissenschaftler ist -; er bemerkt mit einem Blick, daß sie in Lebensgefahr schwebt – aber noch operiert werden kann. Da wird ein dramatischer Einfall, der aus heutiger Sicht freilich sehr abgegriffen wirkt, eher verschenkt. Oder alles dient eben nur dazu, den mysteriösen Dr. Storm in die Geschichte einzuführen.

Es gibt einige weitere Storyelemente, die nicht richtig durchdacht oder, wie bei Sue, überhastet eingeführt wirken. Daß der Maulwurf jetzt Häuserblocks von New York im Erdboden versinken lassen kann, ist zwar für sich genommen beeindruckend, aber wenn man genauer darüber nachdenkt, erscheint es seltsam, daß all den Menschen, die sich in diesen Häusern und den Straßen darum befinden, bei dieser Fahrstuhl-abwärts-Aktion nichts passiert (die FV nehmen das als Erdbeben wahr). Mal ganz abgesehen davon, daß unklar bleibt, wie der Maulwurf das schafft (zumindest ohne daß irgendein New Yorker vorher davon etwas gemerkt hat).

Ich hätte gedacht: Wenn der Maulwurf vor allem die FV ausschalten muß, um zum Ziel zu kommen, dann hätte er doch das Baxter Building in der Versenkung verschwinden lassen sollen. Dazu hätte er sich überlegen müssen, wie er sie dann in der Tiefe unschädlich machen kann – aber er hätte das Überraschungsmoment auf seiner Seite gehabt. Vermutlich fand Lee das Motiv reizvoller, wie die FV an dem scheinbar endlos tiefen Loch in New York stehen, sich den Kopf zerbrechen, wie es entstanden ist, und erstmal nicht hinuntergelangen können.

Rätselhaft erscheint mir, wie „Maulis“ Welteroberungspläne eigentlich aussehen. Was er tut, scheint eher sein unterirdisches Reich zu stärken. Wie er an der Oberfläche die Herrschaft an sich reißen will, bleibt unklar. Und unbefriedigend kommt mir auch vor, wie die Fantastischen Vier schließlich seine Pläne durchkreuzen. Ding verkloppt einfach Maulwurfs Lemurenhorden (mit dem Spruch „Es ist Trainingsstunde“; englisch vermutlich „It’s Clobberin‘ Time“), Reed legt den Schalter um, worauf die Häuser an die Oberfläche zurückkehren - fertig. Was aus dem Maulwurf wird, bleibt offen – klar, er soll ja irgendwann mal zurückkehren, aber er verschwindet am Ende einfach von der Bildfläche. Sicherlich deshalb, weil Lee/Kirby/Stone keinen Platz mehr haben, ihm einen ordentlichen Abgang zu bereiten.

Ich finde, diese Story hätte, wenn sie richtig ausgearbeitet worden wäre, mindestens 30, eher 40 Seiten einnehmen müssen. Später wurden zu diesem Zweck drei- oder vierteilige Fortsetzungen geschaffen. Vielleicht fehlten Lee aber damals auch noch die Fähigkeiten, die Fäden der Handlung richtig zusammenzuführen. Jedenfalls: Grafisch sieht das Heft schon ziemlich gut aus. Das Loch zwischen New-York-Wolkenkratzern ist überzeugend dargestellt; außerdem spielt Kirby in dieser Ausgabe sein Faible für futuristisch aussehende Maschinen richtig aus. Und er zeigt nun sein Superheldenquartett fast durchgängig in schönen dynamischen Actionposen.
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