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Alt 06.06.2011, 19:26   #1575  
michidiers
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LOCAL

Von Brian Wood und Ryan Kelly



In diesem Comicband begleitet der Leser die heranwachsende Ausreißerin Megan auf ihrer unstetigen Reise quer durch die USA und Kanada. In 12 Kurzgeschichten werden Ereignisse aus 12 Jahren ihrer Wanderschaft durch verschiedene Städte Nordamerikas, die sie auf ihrem Weg erlebt, erzählt.

Man sollte sich schon etwas Zeit für die etwa 350 Seiten des edlen Hardcover-Wälzers nehmen. Alle Geschichten sind voller Fingerspitzengefühl für die Situation und für das darin beschriebene Ereignis. Zwölf Ereignisse, die als Schlüsselerlebnis für die Charakterbildung eines Individuums stehen. Brian Wood stellt hier sein Ausnahmetalent für das Erzählen von fesselnden Comicgeschichten unter Beweis. Worte und Dialoge werden nur dann eingesetzt, wenn die Situation und das Verständnis es erfordert. Da, wo gesprochen werden muss, da wird gesprochen und da wo Bilder sprechen können, da lassen Wood und Kelly die Bilder sprechen.

Viele Informationen werden dem Leser daher durch die vielen Impressionen und durch Stadt- und die Stadtansichten vermittelt. Dabei wurden akribisch Fotoreferenzen aus allen Teilen und Städten Nordamerikas benutzt und zeichnerisch verarbeitet. Das vermittelt eine selten dagewesene Authentizität im Comic. Manchmal mag man als Leser gar die Hintergrundgeräusche von Brooklyn hören, die klirrende Kälte von Minneapolis oder den dauernden Wind in Chicago auf der Haut spüren, so gut gelingt es den beiden Künstlern, die Situation und Atmosphäre an den Leser zu bringen.

Am Ende sehen wir als Leser eine um 12 Jahre ältere Megan. Sie ist gereift und in der Lage, den Zusammenhang der Ereignisse zu erkennen, die ihren Charakter in den vergangenen 12 Jahren geprägt haben. Sie ist jetzt auch in der Lage, ihre Familie und ihre Erziehung in einem ganz anderen Licht zu betrachten. Und das ist auch das Essentielle, die ein aufmerksamer Leser aus diesem tollen Werk mitnehmen kann. Auch wird sind ein Produkt von verschiedenen Schlüsselerlebnissen unserer Vergangenheit und unseres Elternhauses. Der Blick darauf ist über die Jahre stets Veränderungen unterworfen, die neue Sichtweisen eröffnen. Und manchmal kann erst am Ende von allem die Sicht auf das, was unser Individuum geprägt hat, klar und geöffnet sein.

Die einstmals kleine Megan wächst einem als Leser dabei ganz schön ans Herz, da man ihren Lebensweg nur auch über ganze 12 Jahre mitverfolgt. Jede Kurzgeschichte enthält dabei noch ein kurzes Essay der Künstler mit Hintergrundinfos, Gedanken und die bei der Arbeit gehörten Lieder. Dabei beweisen beide übrigens durchaus einen nicht schlechten Musikgeschmack.

Ich habe schon seit einem guten Jahr auf diesen dicken Band geschielt. Nach der Werbetrommel im Paniniforum habe ich mich entschlossen, mir diesen fetten Totschläger zuzulegen. Entschieden habe ich mich aber für das US Original, weil meine buchde-Gutscheine leider nicht für deutsche Veröffentlichungen gültig waren und mir das originale Lettering weitaus besser gefallen hat als in der deutschen Ausgabe.

Hier noch das schöne Cover aus der originalen und letzten US Ausgabe Nr. 12:

Der bezeichnende Titel und Inhalt von „The House that Megan built“ gibt die Essenz und die herrschende Frage "Was ist Heimat?" aus den vorhergehenden Ausgaben im übertragenen Sinne optimal wieder.
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