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Peter L. Opmann 09.08.2016 16:03

Vom Schreiben zum Verfilmen
 
Am Wochenende bin ich in einem öffentlichen Bücherregal (wo man Bücher reinstellen und sich kostenlos rausnehmen kann) auf ein ganz interessantes Buch gestoßen: "Das Hollywood Geschäft" von William Goldman. Ich wollte dies erst unter "Vom Schreiben zum Veröffentlichen" vermerken, aber es paßt dort nicht richtig hin.

Das Buch, 1986 bei Bastei Lübbe veröffentlicht, enthält unter anderem eine Anleitung, wie man ein Drehbuch schreibt. Sehr praxisorientiert. Goldman nimmt sich eine eigene alte Kurzgeschichte vor und verarbeitet sie zu einem Drehbuch. Er doziert nicht, er demonstriert, wie es gemacht wird.

Ansonsten ist das Buch - nun ja - veraltet. Es geht tatsächlich ums Hollywood-Geschäft, basierend auf den Erfahrungen des Jahres 1981, als die Studios ungewöhnlich viele Flops produzierten. Es war eine andere Zeit; Goldman ist noch davon überzeugt, daß es nichts bringt, Sequels von "Star Wars" oder ähnlichen Boxoffice-Hits zu drehen. Er setzt noch auf die Kreativität von Drehbuchautoren, die neue Erfolgsformeln finden werden.

Nebenbei erklärt er, daß es Autorenfilme (der allerneueste Trend!) möglicherweise tatsächlich geben mag, sie aber in USA niemals funktionieren können. Ich glaube, damals wurde gerade ein amerikanisches Remake von "Außer Atem" mit Richard Gere in der Hauptrolle gedreht.

Abgesehen von solchen Bonmots steckt das Buch voller Anekdoten über Drehbuchkonferenzen und Dreharbeiten. Goldman plaudert aus dem Nähkästchen. Es ist sicher nicht das Standardwerk, aber höchst amüsant zu lesen.

Servalan 10.08.2016 12:56

Lillian Ross: Film. Eine Geschichte aus Hollywood (Greno 10|20 Band 32)
Originaltitel: Picture, Greno Verlag 1987, Rineheart 1952, erschien ursprünglich als Artikelserie im The New Yorker, 332 Seiten

Wenn ich der englischen Wikipedia glauben darf, weilt die hochbetagte Dame (stolze 97 oder 98 Jährchen) noch unter uns Lebenden.

Lillian Ross hat von 1945 bis zu ihrer Rente für das renommierte Magazin The New Yorker vor allem Artikel, Rezensionen und Interviews über das Filmgeschäft geschrieben. Letztes Jahr erschien ein Buch über ihre Erfahrungen in der Redaktion, Reporting Always: Writing for The New Yorker (Scribner 2015).

Die Reportagereihe sollte wohl eine Art Fortbildung für die damals junge Journalistin werden. Sie sollte mal hinter die Kulissen schauen, um sich mit den Gepflogenheiten der Branche vertraut zu machen.
Denn das Thema bildet die Verfilmung von Stephen Cranes Bürgerkriegsroman The Red Badge of Courage / Die rote Tapferkeitsmedaille durch John Huston (MGM 1951).

Der Antikriegsfilm des damals berühmten Regisseurs John Huston (Der Schatz der Sierra Madre, Die Spur des Falken, African Queen) erwies sich als Flop, weshalb das Studio die erste Fassung radikal kürzen ließ.
Für einen Blick hinter die Kulissen ist das ein Glücksfall.

Ross bleibt die ganze Zeit über dicht an Huston und der Filmcrew. Sie bereitet ihr Material durch etliche Dialoge für das Publikum auf, wodurch die Atmosphäre der späten 1940er, frühen 1950er Jahre spürbar wird. Stilistisch ist das weniger ein Making-of als ein eigenständiges Werk.

Über die Graue Eminenz D.W. Griffiths werden die Parallelen zwischen einem militärischen Feldzug und dem Großunternehmen Filmemachen betont. Die Aufnahmen unter freien Himmel und im Studio sind eine Materialschlacht, bei der Schützengräben ausgehoben werden, Massen von Pferden und Komparsen koordiniert und choreographiert werden.

Bis die letzte Klappe fällt, macht Huston die Nächte durch, um das Drehbuch mit den Autoren zu diskutieren und neue Fassungen zu erarbeiten. Das alte Hollywood der Studios war harte Knochenarbeit.

Lohnt sich.

Servalan 10.08.2016 15:58

Friedrich Knilli, Knut Hickethier und Wolf Dieter Lützen (Hrsg.): Literatur in den Massenmedien - Demontage von Dichtung? (Reihe Hanser Medien RH 221), Carl Hanser Verlag 1976, 214 Seiten, Preis: 14,80 DM

Die blaue Reihe aus dem Hanser Verlag galt in den 1970er Jahren so ziemlich als das Beste, was es zum Thema gibt. Die Preise lagen allerdings im höheren Bereich, weshalb ich sie mir von meinem bescheidenen Taschengeld nicht leisten konnte. Zugelegt habe ich mir den Band später Second Hand während meines Studiums.

Knilli und Hickethier haben in der alten Bundesrepublik Film und Fernsehen in die klassische Literaturwissenschaft geschmuggelt und so über einige Jahrzehnte das Fach Medienwissenschaft im deutschen Unibetrieb etabliert.
Höhepunkte der blauen Hanser-Reihe waren die Monographien über wichtige Regisseure, aber das Thema Literaturverfilmungen mußten natürlich auch verhandelt werden, und da kam niemand ums Fernsehen herum. Entsprechend breit finden sich NDR, WDR und ZDF in den gewählten Stoffen wieder.
Daß der Film in der gehobenen und höheren Kultur als Parvenü scheel angesehen wurde, zeigt sich deutlich in den vermittelten Vorurteilen:
  • Der Bildungskanon von Goethe bis Mann wird hart verteidigt. Bücher gelten per se als wertvoller als Film und Fernsehen.
  • Literaturverfilmungen sind immer schlechter als ihre hochwertigen Vorlagen.
  • Aus mittelmäßigen Büchern können gute Filme werden, aber umgekehrt ist das unmöglich.
  • Film und Fernsehen werden als pädagogische Hilfsmittel betrachtet, um das Publikum zum Lesen der Originale zu erziehen (ähnlich wie der Classics Illustrated-Ansatz).
Die Beiträge lesen sich sehr verstaubt. Kabinettstückchen sind zwei Beiträge von Bertolt Brecht und Siegfried Lenz.
Amüsant finde ich die Schlußfolgerung von Jens Malte Fischer, der de Sades Die 120 Tage von Sodom für unverfilmbar hält. Damit die Verfilmung für das Publikum eine vergleichbar verstörende Zumutung wird wie für die gequälten Figuren, meint er, müsse eine Verfilmung auch 120 Tage nonstop dauern ...

Peter L. Opmann 10.08.2016 16:28

Schön, daß dieser Thread offenbar als sinnvoll und fortsetzungswürdig angesehen wird.

Ich habe mich mit Film nicht wissenschaftlich beschäftigt. Von 1985 bis etwa 1994 habe ich mich - mitunter - als Filmkritiker betätigt, und weil ich eine Zeitlang mit dem Gedanken spielte, diese Arbeit zu intensivieren, habe ich mir auch eine kursorische Filmbibliothek zugelegt.

Ich habe hier sozusagen das Gegenbuch gegen den Drehbuchautor William Goldman, der behauptete, Autorenfilme seien ein Unsinn:

Barbara Bronnen/Corinna Brocher: Die Filmemacher. Der neue deutsche Film nach Oberhausen. Gütersloh 1973
Es handelt sich um lauter Interviews, und zwar mit Werner Herzog, Jean-Marie Straub, Vlado Kristl, George Moorse, Volker Schlöndorff, Manar Gosov, Edgar Reitz, Peter Schamoni, Johannes Schaaf, Volker Vogeler, Werner Schroeter, Rainer Werner Fassbinder, Reinhard Hauff, Peter Lilienthal, Uwe Brandner, Christian Ziewer/Klaus Wiese, Alexander Kluge. Leider sind keine Filmemacherinnen vertreten. Es fehlen Leute wie Klaus Lemke oder May Spils. Trotzdem fand ich die Interviews teilweise sehr aufschlußreich und interessant.

Servalan 16.08.2016 13:51

Was fallen dir (oder anderen, die hier mitlesen) denn für Titel ein?
Gelungene Literaturverfilmungen, die auf gelungenen Vorlagen basieren, fallen mir schon einige ein. Das sind mehr ein halbes Dutzend, aber insgesamt bleibt das Feld recht übersichtlich.
Geschmäcker sind verschieden, deshalb gehe ich davon aus, daß wir nicht immer einer Meinung sind - "und das ist auch gut so!"

Hier mein erster Vorschlag:
  • Truman Capote: In Cold Blood. A True Account of a Multiple Murder and Its Consequences (Kaltblütig. Wahrheitsgemäßer Bericht über einen mehrfachen Mord und seine Folgen) - Random House 1965 (offiziell 1966)
  • In Cold Blood (Kaltblütig), USA 1967, Drehbuch und Regie: Richard Brooks, 134 min, FSK: 16
Ehrlich gesagt, neben Truman Capote sieht David Simon ziemlich blaß aus.
Jedesmal wenn ich das Buch durchblättere und die Zeilen überfliege, erfaßt mich der Sog und ich bin wieder in der Geschichte.

Der Film liegt um Klassen über den besten Stahlnetz- oder Dragnet-Folgen. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, fand ich ihn verstörender als Psycho.

Wie tief sich der Stoff mittlerweile ins Bewußtsein verankert hat, zeigen ja die Werke, die über Capote und die Killer entstanden sind: der Film mit Philip Seymour Hoffman und Catherine Keener von 2005, der von 2006 mit Toby Jones und Sandra Bullock, die Graphic Novel von Oni Press und die Fernseh-Miniserie von 1996 mit Sam Neill und Anthony Edwards ...

Servalan 16.08.2016 19:38

Am 15. September läuft tschick nach Wolfgang Herrndorfs Bestseller in den deutschen Kinos an (Trailer 1, Teaser Trailer ).

Fatih Akin hat den vergnüglichen Lesestoff als wilde Mischung zwischen Jack Kerouac und J.D. Salinger verfilmt. Der Roman gehört zum Besten, was in den letzten Jahrzehnten an deutschsprachiger Literatur entstanden ist.
Beim Casting scheint Akin das richtige Händchen gehabt zu haben. Trotzdem mußte ich bei dem Tschick-Darsteller an Hark Bohms Filme mit dem jungen Tayfun Bademsoy denken (Indianerjunge Tschetan zum Beispiel).

Auf jeden Fall wünsche ich tschick ein großes Publikum.

Mick Baxter 19.08.2016 05:46

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 527206)
Bis die letzte Klappe fällt, macht Huston die Nächte durch, um das Drehbuch mit den Autoren zu diskutieren und neue Fassungen zu erarbeiten. Das alte Hollywood der Studios war harte Knochenarbeit.

Wobei man sich als Außensteher fragt, warum die das Drehbuch nicht VORHER fertigstellten (ähnliche Geschichten werden ja auch von Curtiz und "Casablanca" und Billy Wilder ["Some like it hot"] erzählt).

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 527215)
[*]Aus mittelmäßigen Büchern können gute Filme werden, aber umgekehrt ist das unmöglich.

Daß aus guten Büchern mittelmäßige Filme werden, halte ich durchaus für möglich. Und was "gut" ist, ist ja durchaus Ansichtssache. Ich halte sowohl Buch als auch Film von "Jurassic Park" für gut (kann man wohl auch von "Der dritte Mann" behaupten), aber natürlich genießt der Roman nicht den Ruf wie "Die Buddenbrooks". Hinderlich ist bei einer Verfilmung sicherlich der Umfang. Bei "Krieg und Frieden" muß natürlich mehr gekürzt werden (wenn es nicht eine 13-teilige Fernsehserie wird) als bei "Der Malteser Falke", der praktisch 1:1 umgesetzt wurde.

Wenn der Bereich "Verfilmen" auch als Intention reicht, würde ich "Das Handbuch zum Drehbuch" von Syd Field empfehlen. Darin werden auch Passagen aus den Drehbüchern zu "China Town" und "Die Sensationsreporterin"/"Absence of Malice") abgedruckt, die man also mit dem fertigen Film vergleichen kann. "Die Sensationsreporterin" hab ich kürzlich wieder gesehen und fand ihn eher langweilig.

Peter L. Opmann 19.08.2016 11:50

Der dritte mann ist ein sonderfall. Das ist nicht ein verfilmtes buch, sondern es gab ein Original Drehbuch von Graham greene. Und hinterher hat er aus diesem Drehbuch noch eine Art kurzroman gemacht.

Tschuldigung für die katastrophale rechtschreibung. Ich tippe auf einem geliehenen handy.

Servalan 19.08.2016 11:59

Das nicht fertige Drehbuch sehe ich als vor allem bei Studioregisseuren als Trick, sich einen Freiraum zu schaffen und zu erhalten. Außerdem kann ich mir vorstellen, daß sich die Crew und die Besetzung dadurch entspannter fühlen. Denn in diesem Fall honoriert der Regisseur ihre Beiträge und verteidigt sie indirekt gegen die Produktion.

Einerseits gibt es wohl die Perfektionisten, die mit ihren Ergebnissen nie zufrieden sind und immer wieder etwas finden, das unbedingt noch mit in den Film muß.
Die merkwürdige Stille um Meisterregisseur Orson Welles fällt in dieses Schema: Der hat ja nicht Däumchen gedreht, sondern ein Filmprojekt nach dem nächsten gestemmt - aber keines erreichte das Publikum. Diese Phase wurde erst posthum gewürdigt.

Auf der anderen Seite dürfte dieses Verhalten zutiefst menschlich sein.
Soweit ich das mitbekommen habe, läuft das mit den Abschlußarbeiten an der Universität genau so. Die Copyshops klagen über diese Praxis, beißen aber notgedrungen in den sauren Apfel ...
Einer Kommilitonin im Fach Soziologie habe ich mal geholfen. Am Montag in aller Herrgottsfrühe sollte sie ihre Arbeit abgeben. Vom Freitag davor bis zur letzten Minute haben wir das Wochenende durchgemacht: hier korrigiert, da ergänzt und dort etwas umgestellt oder hervorgehoben.

Peter L. Opmann 19.08.2016 14:38

Manche Filme hätte Orson welles sicher liebend gern fertiggestellt. Aber in Hollywood hatte er es sich mit allen Studios verscherzt, und in Europa konnte er für das, was er wollte, nicht genug Geld auftreiben.

(Mann, ich will meine Tastatur zurück!)

Servalan 19.08.2016 15:01

Zitat:

Zitat von Mick Baxter (Beitrag 527722)
Hinderlich ist bei einer Verfilmung sicherlich der Umfang. Bei "Krieg und Frieden" muß natürlich mehr gekürzt werden (wenn es nicht eine 13-teilige Fernsehserie wird) als bei "Der Malteser Falke", der praktisch 1:1 umgesetzt wurde.

Solche Projekte gibt es ja: Die BBC-Serie The Paradise / The Paradise – Haus der Träume (2012-2013) dauert insgesamt knapp sechzehn Stunden. In zwei Staffeln zu je acht Episoden wurde Émile Zolas Roman Au Bonheur des Dames / Das Paradies der Damen (1884, 11. Band des Rougon-Macquart-Zyklus) auf den Bildschirm umgeschrieben.

Die Serie floppte zwar, aber die ITV/Masterpiece-WGBH-Serie Mr Selfridge erzählt eine ähnliche Geschichte über die Anfänge der Kaufhäuser. Diese Serie basiert auf einem anderen Buch, nämlich der Biographie von Lindy Woodhead: Shopping, Seduction & Mr Selfridge (Random House 2013).


Der Pionier in dieser Hinsicht dürfte Rainer Werner Fassbnder mit seiner inzwischen legendären Verfilmung von Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz (S. Fischer Verlag 1929) durch Bavaria und RAI für den WDR 1980 gewesen sein. Über 14 Folgen lief die Serie insgesamt 930 Minuten (15 1/2 Stunden) lang. 2007 lief die restaurierte Fassung auf der 57. Berlinale, gleichzeitig erschien auch eine DVD-Box.

Jähling 20.08.2016 18:05

Alfred Hitchcock soll mal gesagt haben, nur aus einem mittelmäßigen Buch könne er einen guten Film machen. Das Originalzitat dazu habe ich mal für einen Blogartikel gesucht, aber leider nie gefunden. Macht aber Sinn, wenn man drüber nachdenkt:

Ein literarisch hochwertiges Buch lebt von der Sprache. Es ist umso literarischer, je mehr es von der Sprache lebt. Die ist aber das Unverfilmbarste daran. Das muss man beim Umsetzen in einen Film erstmal alles rausschmeißen und versuchen, in eine abfilmbare Handlung zu übertragen. Was bleibt, kann ein guter Film sein, aber wenn, dann auf Kosten dessen, was am Original literarisch war.

Mehr noch: Ein guter Film lebt ebenfalls von der Sprache, aber die Sprache ist eine andere, nämlich die der filmischen Ausdrucksmittel. Je besser ein Film in der Anwendung dieser Mittel sein will, desto weniger darf er sich von der literarischen Vorlage ausbremsen lassen.


Was ich gefunden habe, ist das folgende Zitat (aus "Truffaut - Hitchcock", dem großen Interviewband):

Zitat:

A.H.: Naja, in Dostojewskis Roman ("Schuld und Sühne") gibt es viele, viele Wörter, und jedes hat eine Funktion.
F.T.: Das stimmt. Theoretisch ist ein Meisterwerk etwas, das seine perfekte Form bereits gefunden hat.
A.H.: Genau. und um das wirklich in filmische Mittel zu übersetzen, die Sprache des Romans durch die der Kamera zu ersetzen, müsste man einen sechs- bis zehnstündigen Film machen.
Und:
Zitat:

Was ich tue, ist, ich lese eine Geschichte einmal, und wenn ich die Grundidee mag, dann vergesse ich alles über das Buch und beginne, Kino zu schaffen.
(Übersetzungen von mir, den Band gibt es aber auch auf deutsch.)

Im Moment gibt es ja die Tendenz, Bücher eher fürs Fernsehen zu adaptieren als fürs Kino, weil man sie da länger machen kann. Ich finde das nicht so richtig überzeugend, denn vieles ist mir dann zu lang(weilig) und eben nicht sehr gelungen ins Filmische übersetzt. Richtet sich aber, glaube ich, eh mehr an Buch- als Film- oder Fernsehfans.

Mick Baxter 20.08.2016 21:38

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 527743)
Der dritte mann ist ein sonderfall. Das ist nicht ein verfilmtes buch, sondern es gab ein Original Drehbuch von Graham greene. Und hinterher hat er aus diesem Drehbuch noch eine Art kurzroman gemacht.

Also ähnlich wie "Es geschah am hellichten Tag"/"Das Versprechen", wobei Dürrenmatts Drehbuch noch überarbeitet wurde (während Greene tatsächlich der alleinige Autor war). Dafür wurde die Roman-Adaption erneut (und zwar mehrfach) verfilmt, zuletzt von Sean Penn.

Servalan 21.08.2016 12:42

Zitat:

Zitat von Jähling (Beitrag 527843)
Ein literarisch hochwertiges Buch lebt von der Sprache. Es ist umso literarischer, je mehr es von der Sprache lebt. Die ist aber das Unverfilmbarste daran. Das muss man beim Umsetzen in einen Film erstmal alles rausschmeißen und versuchen, in eine abfilmbare Handlung zu übertragen. Was bleibt, kann ein guter Film sein, aber wenn, dann auf Kosten dessen, was am Original literarisch war.

Werden die überhaupt verfilmt? Bei manchen Werken dauert es über hundert Jahre, bis überhaupt eine deutsche Gesamtausgabe vorliegt - schönes Beispiel: die Gedichte von Emily Dickinson.

Zugegeben, Volker Schlöndorff hat sich eine Rosine aus Marcel Prousts Meistewrwerk herausgepickt und Eine Liebe von Swann (1984) in die Kinos gebracht.
John Hustons letzter Film war eine Adaption einer Geschichte aus James Joyce's Kurzgeschichtenzyklus Dubliners, nämlich Die Toten / The Dead (1987).
Experimentellere Umsetzungen wie der deutsch-britische Episodenfilm Maldoror (2000) nach Lautréamont kommen überhaupt nicht in den regulären Vertrieb, so daß nur ein kleiner Kreis davon weiß.
... alles weitere verbietet die Ehrfurcht.

An eine Filmfassung von Joyces Großwerken Ulysses oder Finnegan's Wake kann ich mich jedenfalls nicht erinnern. In Sachen Jean Paul oder Arno Schmidt bemerke ich nur Funkstille.
Und die Kinoversionen von Moby Dick beschränken sich auf die Standards einer Abenteuergeschichte, die sich mit den Mitteln von Hollywood umsetzen läßt und ein größes Publikum erreichen kann.

Besonders in den Genres Krimi und Science Fiction finden sich etliche fabelhafte Adaptionen in Anthologieserien (zum Beispiel Alfred Hitchcock presents, Twilight Zone oder Outer Limits). Die Kurzgeschichten von Poe, O. Henry oder Roald Dahl drängen sich da geradezu auf.
In länger laufenden Serien könnten einzelne Episoden versteckt sein, die sich als modernisierte Verfilmungen auffassen lassen: Ein gutes Beispiel ist meinem Empfinden nach Homicide Staffel 4 Episode 7: "Heartbeat" (1995). Bei dem Fall werden drei Elemente kombiniert: zum einen, daß Poe in Baltimore gelebt und geschrieben hat, sowie seine Kurgeschichten "Das verräterische Herz" (1843) und "Das Fass Amontillado" (1846).
Zitat:

As Lewis and Kellerman quickly solve a drug-related death, they get a tip on another case: a man who was buried alive in a wall 10 years ago. Munch and Howard target a dealer obsessed with Edgar Allan Poe, relying on psychological manipulation to get him to confess.

Servalan 29.08.2016 12:32

Heute läuft im ZDF die sechsteilige BBC/AMC-Serie The Night Manager nach dem Roman von John Le Carré an. Gesendet wird jedes Mal eine Doppelfolge.

Von der scheinen beide Seiten profitiert zu haben, wahrscheinlich weil der Stoff des über 20 Jahre alten Romans stark bearbeitet und aktualisiert worden ist.
Die Serie lief schon auf internationalen Filmfestivals und kann eine lange Liste an Emmy-Nominierungen vorweisen.
Im Gegensatz zum notorisch verstimmten Alan Moore gefällt John Le Carré die Serienversion. Und Tom Hiddleston wird wegen seiner Rolle nicht nur als Nachfolger von Daniel Craig als 007 James Bond gehandelt, vielmehr hat er Gefallen an John Le Carré gefunden und den Autor für sich entdeckt.

Alle zufrieden - mich macht das neugierig.

Peter L. Opmann 29.08.2016 14:11

Hat Alan Moore mit dieser Serie etwas zu tun, oder führst Du ihn nur an als jemanden, der Bearbeitungen seiner Stoffe nicht mag?

Servalan 29.08.2016 14:35

Alan Moore hat mir als generelles Beispiel für Autoren gedient, die fast unmöglich zufrieden zu stellen sind.

Ob die einzelnen Autorinnen und Autoren sich mit ihren Adaptionen anfreunden können, scheint mir sehr stark vom Temperament abhängig.
John le Carré hat gewiß hohe Ansprüche, aber er akzeptiert die Grenzen seiner literarischen Kunst und geht pragmatisch mit Film oder Fernsehen um.
Moore erregt sich leicht und sieht bei jeder Änderung seine ursprüngliche Idee verraten. Wie leicht das geht, mußte zuletzt die öffentliche Bibliothek in seiner Heimatstadt Northampton erfahren. Die hat er vorgeführt, weil da etwas nicht exakt so lief, wie sich der Magier das vorgestellt hat.

Ob das Publikum und die Kritik das so sehen wie die Autoren, ist wieder eine andere Sache. Die eigenen und die fremden Urteile müssen nicht unbedingt übereinstimmen.

Jähling 29.08.2016 15:28

Zu Moores Ehrenrettung muss man aber auch sagen, so doll waren die meisten "seiner" Verfilmungen nicht.

Le Carré hatte da mehr Glück. "Dame, König, As, Spion" und "The Constant Gardener" und sogar der olle "Spion, der aus der Kälte kam" haben alle diesen langsamen und unprätentiösen Aufbau, der seine Romane auszeichnet. Keine Ahnung, wie viel sie weggelasseen haben - ich habe alle drei nicht gelesen und den "Schneider von Panama", den ich als Buch habe, nicht verfilmt gesehen. Sie wirkten aber alle sehr Le-Carré-ish.

Peter L. Opmann 29.08.2016 15:32

Genauer habe ich die Beziehung zwischen Buchvorlage und Filmbearbeitung einmal im Fall von Philip K. Dicks "Do Androids dream of Electric Sheep?" verfolgt, woraus Ridley Scott einen SF-Film gemacht hat.

Dick-Biograf Lawrence Sutin:

Zitat:

Phil war anfangs einigermaßen skeptisch, ob der Film seinem Roman gerecht würde. Doch keiner ist gegen Hollywoodträume gefeit, und Phil träumte von Ruhm und Ehre. Die Realität drängte sich dann auch schnell genug auf. Phil verabscheute Hampton Fanchers Drehbuch, das er im Dezember 1980 las. Seine Reaktion bestand darin, dem Projekt den Krieg zu erklären. (...) David Peoples, der Anfang 1981 hinzugezogen wurde, um das Fancher-Manuskript umzuschreiben, erinnert sich nicht, daß bei den Konferenzen je Phils Name gefallen wäre. Peoples hielt Fanchers erstes Manuskript für hervorragend und hat "Androids" nie gelesen, weder vor noch nach seiner Überarbeitung - die Phil (in einer Wendung um hundertachtzig Grad von seiner früheren Geringschätzung für das gesamte Projekt) in den Himmel lobte, als er sie im August 1981 las. Das endgültige Drehbuch, das Fancher und Peoples als Autoren nennt, ordnet Schlüsselelemente der "Android"-Handlung neu oder eliminiert sie ganz; die Religion der Mercer-Empathen fehlt beispielsweise völlig. Aber Phil war sich der Unterschiede zwischen den Medien Druck und Film durchaus bewußt und hat eine genaue Übertragung nie für möglich oder auch nur für wünschenswert gehalten. (...) Aber das große Ereignis war die im November erfolgende Einladung von den "Blade Runner"-Leuten, sich bei ihnen eine Rolle mit Spezialeffekten anzusehen, die für den Film hergestellt worden waren. Im Juni hatte Phil durch puren Zufall einen kurzen Ausschnitt von "Blade Runner" in den Lokalnachrichten gesehen und war erfreut gewesen über die Techno-noir-Schönheit des Films. Jetzt sollte er einen Privatvorführung beiwohnen. Mary riet ihm, eine Limousine mit Fahrer anzufordern - und das Studio war einverstanden. Phil posierte mit Ridley Scott für Werbefotos, auf denen Phil und nicht der Spitzenregisseur einen Schlips trägt.
Man muß dazu wissen, daß Philip K. Dick fast immer materiell arm war. Mit seinen Romanen konnte er meist nur eben so seinen Lebensunterhalt verdienen - manchmal nicht mal das. Die Aussicht, mit der Verfilmung endlich zu etwas Geld zu kommen, hat ihn stark beeinflußt. Allerdings starb er im März 1982, kurz bevor der Film ins Kino kam.

Xury 29.08.2016 15:44

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 527568)
(...)Trotzdem mußte ich bei dem Tschick-Darsteller an Hark Bohms Filme mit dem jungen Tayfun Bademsoy denken (Indianerjunge Tschetan zum Beispiel)(...)

Bisschen spät, aber verwechselst du da nicht etwas? (Dschingis Bowakow?) :kratz:

Servalan 31.08.2016 10:19

Stimmt. Wo gehobelt wird, fallen Späne.
Ich frage mich, woran das liegt? Entweder daran, daß sich Dschingis Bowakow irgendwann ziemlich rar gemacht hat - oder an Tayfun Bademsoys Dauerpräsenz auf der Mattscheibe. - Na ja, ich meinte Dschingis Bowakow.


Le Carrés The Night Manager hat mir gefallen.
Allerdings hat mich Tom Hiddleston in seinem Auftreten an Daniel Craigs James Bond 007 erinnert. Die große Frage wird wohl sein: Bleibt Jonathan einer von den Guten? Oder wechselt er die Seiten?
Olivia Colmans Rolle weckt bei mir Erinnerungen an George Smiley in König, Dame, As, Spion. Und das Zermatt-Kapitel war eine superleckere Hommage an Alfred Hitchcocks Ashenden-Verfilmung in den Schweizer Alpen.

Servalan 06.09.2016 00:20

Bloß mal wieder eine spinnerte Idee von mir:

Mittlerweile haben Premium-Fernsehserien Kino-Blockbustern den Rang abgelaufen oder sind knapp davor.
Wäre ich an der Stelle von Michael G. Wilson und Barbara Broccoli könnte ich mir nach dem 25. Kinofilm einen Stabwechsel der besonderen Art vorstellen: Ein Wechsel des Hauptdarstellers bei James Bond 007 wäre nämlich eine prima Steilvorlage für einen Formatwechsel:
Statt alle zwei Jahre einen Kinofilm von gut zweieinhalb Stunden gäbe es dann alle drei oder vier Jahre eine Staffel von sechs oder acht einstündigen Folgen.

Servalan 13.09.2016 16:16

Ein Sonderfall in dieser Hinsicht ist sicher das Subgenre des Nordic Noir (des Krimis aus Skandinavien).

Meine Grundkenntnisse über Krimis habe ich mir damals über die Anthologien von Mary Hottinger (Morde, Mehr Morde und Noch mehr Morde) und Graham Greene (Spionageschichten) verschafft.
Dann kam ein glücklicher Umstand hinzu: Als ich mich für die zehnbändige Serie über den Stockholmer Kommissar Martin Beck von Maj Sjöwall und Per Wählöö interessierte, erschien gerade eine Kassette mit allen Bänden plus einem Booklet. Der linke Journalist Per Wahlöö war zu dem Zeitpunkt schon tot, also gab es bloß ein interview mit seiner "Witwe" Maj Sjöwall (die Ähnlichkeiten zu Stieg Larsson und Eva Gabrielsson sind frappierend).
Einerseits war sie froh, daß ihre Charaktere Martin Beck und Gunvald Larsson auf dem Bildschirm ein jüngeres Publikum fanden, andererseits beklagt sie, die Filme wären immer gewalttätiger geworden.

Durch die Fernsehserie Beck wird Sjöwall/Wahlöös Urkrimi immer wieder auf den neuesten Stand gebracht. Manche Folgen sind genial ("Spår i mörker | Todesengel"), manche einfach nur Durchschnitt.
Im Original heißt das Gesamtwerk "Roman über ein Verbrechen", und von dort führt der Weg fast direkt zu Kommissarin Lund – Das Verbrechen. Die Serie entstand zuerst für das Fernsehen, dann erst kam der Roman.

Abgesehen von der Atmosphäre, die einen kräftigen Schuß Gore, Splatter und Horror enthält (da muß ich Maj Sjöwall zustimmen), gibt es bestimmte Plots, die zum Beispiel immer wieder aufgegriffen und neu formuliert werden.
Als erstes fällt mir das Mädchen ein, das naiv und abgebrüht zugleich, eine Bank um eine beträchtliche Summe erleichtert. Das Mädchen kommt damit nicht nur durch, sondern gewinnt die Sympathien des Publikums und/oder anderer Figuren - solche Fälle gibt es bei Sjöwall/Wahlöö, bei Arne Dahl und bei Stieg Larsson ...

So eindeutig ist die Richtung nicht mehr: Es kann auch vom Film bzw. der Serie zum Buch gehen.
Der Lund-Roman wurde ja als eigenständiges Werk mit gewisser literarischer Höhe in den Feuilletons bewertet - im Gegensatz zu den "Büchern zum Film", die als minderwertige Merchandisingprodukte gelten.

Servalan 17.09.2016 16:09

Mein zweiter Vorschlug für gelungene Filme nach gelungenen Büchern:
  • The Luck of Barry Lyndon bzw. The Memoirs of Barry Lyndon, Esq. (Die Memoiren des Junkers Barry Lyndon, 1844 bzw. Harper 1898), Band 58 der Anderen Bibliothek, Eichborn 1989 - auch in der Literaturkassette aus Anlass des 100. Bandes der Anderen Bibliothek, Eichborn 1993
  • Barry Lyndon (Großbritannien 1975), Drehbuch, Produktion und Regie: Stanley Kubrick, 177 min, FSK: 12
Jeder ist seines Glückes Schmied, denkt der junge Ire Redmond Barry naiv, denn er ist fest davon überzeugt, eine goldene Partie an der Angel zu haben. Als er mitbekommt, dass ein Rivale ihn ausstechen will, kommt es (wir befinden uns am Ende des 18. Jahrhunderts) zum unvermeidlichen Duell. Das geht schief, also muß er fliehen - und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Je stärker Redmond Berry versucht, sein Glück zu erzwingen und in der Gesellschaft aufzusteigen, umso mehr Hohn und Spott erntet er.

Wer sich näher mit Kubrick bechäftigt hat, sieht deutlich, wie ähnlich Barry Lyndon den anderen Antihelden aus den 1970er Jahren ist: Alex aus Clockwork Orange oder Jack Torrance aus Shining.

Thackerays folgender Roman, Vanity Fair / Jahrmarkt der Eitelkeit (1847/48), dürfte zwar berühmter sein, aber in Barry Lyndon kehrt er die eitle Selbstdarstellung erfolgreicher Leute aus der höheren Gesellschaft bitterböse radikal gegen den Strich. Er entlarvt die Muster, mit denen Menschen sich selbst und andere belügen - und wenn eine Menge Pech dazu kommt, wird die Mischung explosiv.

Der Journalist Thackeray liebte seine Frau Isabella über alles, doch die fiel nach der Geburt ihres dritten gemeinsamen Kindes 1840 in Depressionen. Nach mehreren Selbstmordversuchen Isabellas suchte er professionelle Hilfe und brachte sie in ein geschlossenes Heim. Obwohl Isabellas Konstitution verfiel und sie schwächelte, überlebte sie ihren Gatten um 30 Jahre.
Wie tief verletzt Thackeray über diese ungerechte Welt gewesen sein muß, das wird heute noch in seinen besten Werken deutlich.

Servalan 18.09.2016 17:36

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 530181)
Ich habe das selbst einige Male bei Kinofilmen erlebt (ich erinnere mich vor allem an "Betty Blue" von Jean-Jacques Beineix), mußte aber am Ende zugeben, daß der Kritiker recht hatte...

Dann erzähl doch mal ...

Peter L. Opmann 18.09.2016 18:57

Naja, ist ja 30 Jahre her - ich war jung und leicht zu beeindrucken. Als ich aus "Betty Blue" kam, dachte ich: Wahnsinn, wie wild und frei die leben! Ein atemberaubend guter Film!

Ein paar Tage später las ich die Kritik von Peter Buchka. Ich habe sie noch im Archiv und zitiere mal ein paar Auszüge:

Zitat:

Sie geben sich als echt schräge Typen. Denen, so soll man glauben, kann keiner an den Karren fahren, weil sie unheimlich lässig wegstecken, wenn ihnen etwas zu nahe zu kommen droht. Wichtig ist nur, daß das Leben Spaß macht. ...
Angeblich ist Betty ja eine Wildkatze - aber dazu genügt es nicht, einfach immer nur nackt oder halbnackt herumzulaufen. In Wahrheit ist sie aber ein Muttertier, sie weiß es nur nicht. Und der Zuschauer merkt es zunächst nicht, weil sie nur Zorg bemuttert. Der hat irgendwann einmal einen Haufen Schulhefte vollgeschrieben, bis ein Roman dabei herausgekommen ist, den Betty nach Lektüre unheimlich irre findet. ...
Zum Glück gerät dieses ungeborene Kind des Geistes wieder in Vergessenheit, weil Betty, die inzwischen mit ihrem Zorg einen Pianoladen in der Provinz führt, selbst schwanger ist. Hei, was ist das für ein Glück! Leider fällt der zweite Schwangerschaftstest negativ aus- und das verkraftet Betty nicht. Sie dreht durch, reißt sich ein Auge aus (?!) und droht, endgültig in der Klapsmühle zu verschwinden, was ihr Geliebter aber durch Erstickungstod zu verhindern weiß. ...
Dabei hätte er (Beineix) das Zeug zu einem wirklichen, ernstzunehmenden Provokateur. Das erste Drittel seines Films ist eine stellenweise hinreißende Persiflage auf unsere Kleinbürgerkultur. Aber dann widerfährt Beineix das, was man in der Psychoanalyse Identifikation mit dem Angreifer nennt. Er verfällt, wie seine zwei Protagonisten, eben jener Idee von Leben, die er gerade lächerlich gemacht hat. Also keine Panik. Das Bürgertum wird auch diese Generation überstehen.
Das lehrte mich, einen wilden, überdrehten Film nicht immer gleich für genial zu halten.

Pickie 18.09.2016 19:30

Ah ... Beatrice Dalle ... der Film hat mich auch "verdorben", haha! (Sie ist nur 7 Jahre älter, das musst Du in dem Alter erst mal verkraften ...) :D :top:

Servalan 19.09.2016 12:31

Von Beineix kannte ich den Film Diva, der mir vor allem Spaß gebracht hat. Mich erinnerte er an Comics von Bilal, Moebius und Manara aus der Zeit, in der einzelne Panels ja auch wichtiger waren als der Plot oder der Rest des Albums.

Über Philippe Djian wurde zu Beginn seiner Karriere ähnlich berichtet wie später über Michel Houellebecq. Durch den Film habe ich Djians Frühwerk entdeckt.
Meiner Einschätzung nach ist Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen ein gelungener Unterhaltungsroman, ein fröhlicher Zeitvertreib.
Von den Socken gehauen hat mich Blau wie die Hölle, sein Debütroman: Aus meiner Sicht ein brillanter Néo-Polar, der den klassischen Hardboiledkrimi mit französischer Lebensart und grandiosen Landschaftsschilderungen verbindet.
Nach Betty Blue wurde mir seine Schreibe allerdings schnell langweilig, weil er dasselbe Konzept immer wieder durchnudelte.

Bei Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen hat mich vor allem der Anfang des Films beeindruckt, besonders das Licht in dem Feriendorf und das Spiel mit den Farben - das gefiel mir. Über den Rest tröstete mich Béatrice Dalle weg.

Semmel 27.10.2016 16:51

Tagchen, hat jemand schon die neue Buchverfilmung "Die Insel der besonderen Kinder" gesehen? Ist der Film gut? Laut IMDb hat er eine Bewertung von 7,1/10 - aber manchmal spinnen deren Wertungen. Würde mich mal interessieren ob den jemand empfehlen kann.


PS: Sollte der Film ein Erfolg werden, kann ich mir vorstellen, dass Tim Burton auch noch das andere Buch "Die Stadt der besonderen Kinder" von Ransom Riggs verfilmt.

Peter L. Opmann 28.10.2016 08:48

Scheint etwas untergegangen zu sein. Ich hatte mitbekommen, daß ein neuer Tim-Burton-Film ins Kino kommt, aber den Titel konnte ich jetzt auf Anhieb nicht zuordnen.

Der Film läuft witzigerweise im Umland meiner Stadt in der 4. Woche, hier aber nicht mehr.

Servalan 04.11.2016 15:28

Solange die Unterforen übersichtlich sind, lohnt es sich meiner Meinung nach nicht, Filmen nach Shakespeare einen eigenen Thread zu widmen.

Wobei Shakespeare ja eigentlich weniger ein origineller Urheber als ein geschickter und erfolgreicher Bearbeiter für die Theaterbühne gewesen ist.
Seine historischen Stoffe hat er bei Sir Raphael Holinshed geborgt, und sogar seine berühmtesten Stoffe haben antike Quellen (Romeo und Julia zum Beispiel in Pyramus und Thisbe). Aber ihm ist es gelungen, diesen Stoffen seinen Stempel aufzuprägen und selbst zur Marke bzw. zum Franchise zu werden.

Während meiner Schulzeit habe in den Dritten mal die englische BBC-Produktion gesehen. Filmisch hat mich das nicht vom Hocker gerissen, denn das war eher abgefilmtes Theater.
Beeindruckt haben mich folgende Filme:
  • Ran | (Japan / Frankreich 1985), Regie: Akira Kurosawa | 黒澤 明, 160 min, FSK: 12 - nach King Lear (1603)
  • Das Schloss im Spinnwebwald | 蜘蛛巣城 Kumonosu-jō (Japan 1957), Regie: Akira Kurosawa | 黒澤 明, 105 min, FSK: ohne - nach Macbeth (1606)
  • Macbeth / Macbeth – Der Königsmörder (USA 1948), Drehbuch und Regie: Orson Welles, 107 min, FSK. 12 - nach Macbeth (1606)
Was sind eure Favoriten?

Servalan 24.11.2016 13:20

Um noch einmal auf tschick zurückzukommen: Ich finde, hier zeigt sich, daß die Königsmacher im deutschsprachigen Raum ziemliche Schwierigkeiten mit lockeren Geschichten haben, die das Publikum scheinbar leicht unterhalten.

Mit den Königsmachern meine ich jene Instanzen, die den Kanon beeinflussen und verändern können, also Akademiker (Germanisten, Romanisten, Anglisten und andere Philologen und Geisteswissenschaftler) sowie die bezahlten Berufskritiker von Presse, Funk und Fernsehen.
Diese Leute haben ja nicht nur das Privileg, daß sie ihren Lebensunterhalt mit dieser Tätigkeit sichern, sie tauchen im Literaturzirkus häufig mehrfach auf und entscheiden, wer mitspielen darf und wer nicht: Sie sitzen in Jurys, geben nach dem Tod des Autors Werkausgaben heraus und geben für die Allgemeinheit der abstrakten Literatur ein Gesicht.
Marcel Reich-Ranicki, Dennis Scheck, Elke Heidenreich & Co. greifen wiederholt ins Geschehen ein und können ihren Spin setzen.

Zu Lebzeiten galt Herrndorf eher als Leichtgewicht. Erst nach seinem spektakulären Suizid hat er sich eine feste Stellung erobert. Ähnliche Fälle wären meiner Ansicht nach Jurek Becker und Graham Greene.
Als ich vor Jahren Greenes Unser Mann in Havanna gelesen habe, hat eine Bekannte von mir die Nase gerümpft, als ob ich mir einen drittklassigen Landserroman antun würde. Diese schräge Sicht hat mich irritiert, zumal die Bekannte im sozialen Bereich unterwegs war: Ich habe mich im Stillen gefragt, ob sie so wenig Ahnung von Literatur hat oder ob sie so eine schlechte Menschenkenntnis hat.
Greene wurde im hohen Alter häufig als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. Dennoch hatte er ein weltweites Publikum.

Die Verfilmung von Carol Reed mit Alec Guinness als Staubsaugervertreter in Kuba hat mir gefallen, obwohl der Stil der späten 1950er Jahre heute von der jüngeren Generation als behäbig und schwerfällig empfunden wird.
Durch die Atmosphäre läßt sich die Zeitgeschichte wie in einem Bernstein betrachten. Außerdem bin ich ein Fan von Alec Guinness. Deswegen zählt Unser Mann in Havanna für mich zu den besseren Verfilmungen.

Servalan 28.11.2016 16:42

Eine weitere gelungene Umsetzung ist nach meinen Geschmack:
  • Roland Topor: Le Locataire chimérique (Buchet / Chastel 1964), deutsche Ausgabe: Der Mieter (Diogenes 1976)
  • Der Mieter | Le Locataire (Frankreich 1976), Drehbuch: Gérard Brach und Roman Polanski, Regie: Roman Polanski, 120 min, FSK: 18
Als Surrealist verstößt Topor gegen alle Genreregeln und mixt wild Thriller, Horror und die Paranoia in einer Hausgemeinschaft durcheinander.
Die Parallelen zu Polanskis Klassiker Rosemary's Baby drängen sich geradezu auf, aber die Vorlage von Ira Levin kenne ich leider nicht.

Meiner Ansicht nach ein typischer 70er Jahre-Film, der mit Konventionen bricht und das Publikum vorsätzlich ratlos zurückläßt. Weder Topors Roman noch Polanskis Film sind prickelnde Unterhaltung, statt dessen setzen sie auf Verstörung, Verunsicherung und ein flaues Gefühl in der Magengrube.

Topor geht das Risiko ein, dass jemand seinen Roman frustriert in die Ecke schmeißt, weil er (oder sie) am Ende der Geduld angekommen ist. Und Polanski hat sicher einen Teil des Publikums (Hitchcock- oder Horror-Fans) einkalkuliert, der frustiert das Kino verläßt, weil es glaubt, im falschen Film gelandet zu sein.

Servalan 08.12.2016 10:53

Allmählich werde ich neugierig auf die Vorlage. Ich habe jetzt das Remake von und mit Zoe Saldana gesehen:
  • Rosemary's Baby (Paramount Pictures 1968), Drehbuch und Regie: Roman Polanski, 136 min
  • Rosemary's Baby (NBC-Miniserie 2014), Drehbuch: Scott Adams und James Wong, Regie: Agnieszka Holland, 162 min
Polanski hat ein exzellentes Werk geschaffen, das kaum zu toppen ist.
Ich finde es verräterisch, wenn sich Zoe Saldanas erster Satz im Making of auf den Klassiker bezieht.

Die Bilder von Polanski sind stärker, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass mich auch die zeitliche Nähe beeindruckt und begeistert hat. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, welche Wahl das junge Publikum von heute trifft. Die kommen sicher leichter in die Miniserie hinein als in den alten Schinken.

Beide Adaptionen schlagen ein unterschiedliches Tempo ein und fordern einen eigenen Rhythmus ein. Für meinen Geschmack hatte die Miniserie einige kleine Längen.
Andererseits finde ich die Änderungen teilweise genial, zumal sie Polanski-Fans und Filmbuffs neues, frisches Futter liefern. Das alte, europäische Paris mit den Katakomben, der koptischen Kirche und der Geschichte liefert neue Aspekte, die dem Stoff guttun.
Manchmal empfand ich das eher als ein Remake von Polanskis Ekel oder Der Mieter, die ja ebenfalls in Paris spielen, oder ich fühlte mich an Daniel Hulets Comictrilogie L' etat morbide erinnert.
Während Jason Isaacs für mich eher der Bösewicht von der Stange war, gefiel mir Carole Bouquet umso besser: Exklusiv wie als Chanel-Modell und Bond-Girl mußte ich unweigerlich an ihre Arbeit mit Luis Buñuel denken.

Servalan 05.02.2017 12:20

Thomas Vorwerk bringt in seinem Verriß (von Live By Night) meines Erachtens einige Dinge über Literaturverfilmungen auf den Punkt:
Zitat:

Das schlimmste Verbrechen der Verfilmung ist es, dass man (ich kann dies nur eingeschränkt beurteilen, weil ich ja das Buch schon kannte) durch den Film meines Erachtens nicht im geringsten Lust auf den Roman bekommt. Ganz im Gegenteil. Das war selbst bei Gone Baby Gone, der in meinen Augen als Film auch ein paar Probleme hat, nicht so deutlich der Fall.

Es gibt ja bei Regisseuren (selbst bei den ganz großen) dieses Phänomen, dass man manchmal beobachten kann, wo sie sich in die Hauptdarstellerin verliebt haben (das kann sogar eine florierende und Jahre anhaltende richtige Beziehung sein) und darüber hinaus die Fähigkeit verloren zu haben scheinen, sich auf das Wohl des jeweiligen Films zu konzentrieren. Bei Live by Night beschleicht einen der Verdacht, Affleck hätte sich in den Roman verliebt, sei aber ungeeignet, dieses Gefühl auf den Zuschauer zu übertragen. Und diese Einsicht, die den Film zum Teil sogar noch retten mag, erhält man auch nur, wenn man das Buch kennt.

Was letztlich zum irgendwie traurigen Fazit führt: Lieber das Buch lesen (oder gleich die Trilogie), und wenn man dann dieses ins Herz geschlossen hat und vielleicht ein besonderes Faible für einige der Filmdarsteller hat, kann man dem Film immer noch eine Chance geben. Man sollte aber nicht zu viel erwarten!
Ohne Fritz Lang und Thea von Harbou hätte ich mich nicht für Mabuse begeistert. Ich kann mir gut vorstellen, dass Norbert Jacques' Romane ohne den Filmklassiker bestenfalls in kleiner Auflage in einem Spezialverlag wiederbelebt worden wären.
Die Herausgeber Michael Farin und Günter Scholdt haben für Rogner und Bernhard bei Zweitausendeins 1994 ja eine richtige Prachtausgabe vorgelegt. Durch das zusätzliche Material aus Zeitdokumenten, vertiefenden Essays und die Sammlung von entlegenen oder fast vergessenen Quellen ergibt sich ein kompaktes Nachschlagewerk. Schöne Bücher.

Die Mabuse-Filme aus den 60ern flimmerten ja noch über die Mattscheibe, und der zweiteilige Stummfilm Dr. Mabuse, der Spieler gehörte zu den ersten Perlen der Filmgeschichte, die an einem speziellen Programmplatz an einem kirchlichen Feiertag (der Vormittag des Karfreitag, glaube ich) gesendet wurden sind.
Im Gegensatz zu den Vätern der Klamotte oder Western von gestern liefen dort bessere Fassungen, liebevoll restauriert und mit rekonstruierter Musikbegleitung. Dort durften die Stummfilme drei oder vier Stunden dauern. Das war ein Leckerli für Filmfans und Spezialisten, das ich genossen habe.

Mick Baxter 05.02.2017 23:48

Zitat:

Das schlimmste Verbrechen der Verfilmung ist es, dass man (...) durch den Film meines Erachtens nicht im geringsten Lust auf den Roman bekommt.
Ist es nicht im Gegenteil ein Zeichen für das Mißlingen eines Films, wenn man nach Ansehen unbedingt das Buch lesen möchte? Es gibt zumindest eine Reihe sehr erfolgreicher und auch von der Kritik akzeptierter Filme, bei denen das nicht der Fall ist. Hat irgendjemand die Romanvorlage von "Die Hard" gelesen? Und ja, ich hab auch Benchleys "Jaws" mal gelesen, aber eher durch Zufall und zwanzig Jahre nach dem Film.

Eldorado 06.02.2017 00:58

Es ist zumindest nicht das vorrangige Ziel eines Films, Lust auf die Vorlage zu machen.
Und natürlich gibt es immer mal wieder Adaptionen, die die Vorlage sogar qualitativ übertreffen (Psycho, Der Exorzist, Der Pate?).
Wäre vielleicht ein eigenes Thema wert......

Peter L. Opmann 06.02.2017 07:45

Ich finde, Filme und Romane sind prinzipiell unvergleichbar.

Was ich immer mal lesen wollte: "Thieves like us" von Edward Anderson, weil Nicholas Ray und Robert Altman daraus so unterschiedliche Filme gemacht haben. Aber der Roman scheint sehr schwer zu bekommen zu sein.

G.Nem. 06.02.2017 08:51

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 540746)
(...)Was ich immer mal lesen wollte: "Thieves like us" von Edward Anderson (...) Aber der Roman scheint sehr schwer zu bekommen zu sein.

Man soll ja hier nicht direkte Werbung machen, aber bei gewissen Amazonen findest du den Roman sofort. :floet:

G.Nem. 06.02.2017 08:56

Thema Film und Romanvorlage – meiner Meinung nach ein weites Feld, denn bei Drehbüchern reden und schreiben X-Leute mit. Wenn da z.B. ein Produzent mit wenig Gespür seine Vorstellungen auf Biegen und Brechen durchsetzt, bleibt beim Endprodukt oft nur das Brechen. Bei Übersetzungen von Romanen ist es oft ähnlich. Da wird dem Übersetzer oft etwas angelastet, was er überhaupt nicht verbrochen hat, sondern das dämliche Lektorat. Mit Kritik wird aber immer der Übersetzer beworfen, weil ja sein Name dick im Impressum steht.

Peter L. Opmann 06.02.2017 09:06

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540747)
Man soll ja hier nicht direkte Werbung machen, aber bei gewissen Amazonen findest du den Roman sofort. :floet:

Schon klar, aber ich kaufe nicht im Internet.

Peter L. Opmann 06.02.2017 09:07

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540748)
Thema Film und Romanvorlage – meiner Meinung nach ein weites Feld, denn bei Drehbüchern reden und schreiben X-Leute mit.

Wußte gar nicht, daß die X-Men auch als Drehbuchautoren aktiv sind. :D

G.Nem. 06.02.2017 10:00

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 540750)
Schon klar, aber ich kaufe nicht im Internet.

Mache ich auch nicht. Ich gehe zum Buchhändler meines Vertrauens und der kauft dann für mich im Hinternetz. Damit ist dem Händler und mir gedient. :D
Support your local dealer! :top:

G.Nem. 06.02.2017 10:01

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 540751)
Wußte gar nicht, daß die X-Men auch als Drehbuchautoren aktiv sind. :D

Grade in der Filmbranche sind jede Menge Mutanten unterwegs! :zwinker:

Servalan 06.02.2017 13:02

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540745)
Es ist zumindest nicht das vorrangige Ziel eines Films, Lust auf die Vorlage zu machen.
Und natürlich gibt es immer mal wieder Adaptionen, die die Vorlage sogar qualitativ übertreffen (Psycho, Der Exorzist, Der Pate?).
Wäre vielleicht ein eigenes Thema wert......

:kratz: Darum geht es doch in diesem Faden, oder?

Naja, trotz aller Kritik und der Hudelei um Likes hat Literatur immer noch einen gewissen Stellenwert. Das zeigt sich zum Beispiel an den obligatorischen Pflichtlektüren in der Schule.
Gerade weil Film, also der Premiumkino-Blockbuster oder die Edelserie, eine Menge Schotter kosten, der irgendwo wieder hereinkommen muß, eignen sich erfolgreiche Vorlagen (Bestseller oder Klassiker) wohl besser, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen, die zwar Kohle im Überfluß haben, aber ansonsten Nützliches mehr schätzen als Kunst und Kultur.
Eine gemeinsame Gesprächsgrundlage erleichtert einiges in der Vorproduktion - obwohl das nix damit zu tun hat, ob der Film gelingt oder in die Binsen geht. Kunsthandwerk und lean production just in time zählen meist mehr als hochfliegende ästhetische Ansätze.
Ein kluger Regisseur oder Auteur versucht eher sein Projekt unterderhand nach eigenen Maßstäben durchzuziehen, damit die Geldgeber in Ruhe schlafen können. Und die Anträge an die deutschen Filmförderungsanstalten sind auf ihren Zweck hin verfaßt. Manchmal klafft da eine erhebliche Lücke zwischen dem Versprochenen und dem Abgelieferten.
Zitat:

Zitat von Mick Baxter (Beitrag 540735)
Ist es nicht im Gegenteil ein Zeichen für das Mißlingen eines Films, wenn man nach Ansehen unbedingt das Buch lesen möchte? Es gibt zumindest eine Reihe sehr erfolgreicher und auch von der Kritik akzeptierter Filme, bei denen das nicht der Fall ist.

Für die Produzenten zählt die gute Vorlage eher zu den Sicherheiten: Allzu viel kann da nicht schiefgehen, und der Film zieht trotzdem Publikum. Wenn ein Regisseur oder andere im Team sogar dabei völligen Bockmist bauen, spricht das gegen die Verantwortlichen.

Gerade bei gelungenen Kombinationen (gutes Buch und gute Verfilmung) haben mich immer die Unterschiede gelockt. Wenn die Verfilmung die Vorlage bloß eins zu eins illustriert, langweilt das den Teil des Publikums, der das Buch kennt. Beide Versionen sollten ihre Eigenheiten haben.
Zur Erläuterung: Der Name der Rose von Jean-Jacques Annaud halte ich für gelungen, weil er die Stärken des Filmischen nutzt. Die Körperlichkeit der Schauspieler und die Qualität der Landschaft waren aus meiner Sicht ebenso Pluspunkte wie die Filmbauten von Dante Ferretti.
Die Sprache des Mittelalters, der Streit um die Armut Christi (und damit die der Kirche) oder den Realismusstreit, das konnte nur ein Umberto Eco in seinem postmodernen Meisterwerk vermitteln.
Beide Fassungen ergänzen sich ...

Mick Baxter 07.02.2017 00:09

Und manchmal sind Buch und Film fast deckungsgleich, wie bei "Die Spur des Falken".

Peter L. Opmann 07.02.2017 07:54

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540752)
Mache ich auch nicht. Ich gehe zum Buchhändler meines Vertrauens und der kauft dann für mich im Hinternetz. Damit ist dem Händler und mir gedient. :D
Support your local dealer! :top:

Werd' ich auch mal ausprobieren.

Servalan 07.02.2017 14:13

Zitat:

Zitat von Mick Baxter (Beitrag 540813)
Und manchmal sind Buch und Film fast deckungsgleich, wie bei "Die Spur des Falken".

Literaturverfilmung gestern und heute sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Was sich geschichtlich entwickelt hat, das läßt sich nicht leichtfertig unter den Teppich kehren. Heute sind die Maßstäbe sicher höher.

Von 1930 bis 1968 galt der Hays Code, und die Filme mußten das Okay von Joseph L. Breen und seiner Entourage bekommen. Pulp wurden außerdem eher als Ärgernis gesehen, als billige Unterhaltung für ein ungebildetes Publikum.
Sogar bei Mario Puzos Der Pate haben die eigentlich vorgesehenen Studioregisseure gekniffen, weil sie einen Mafiafilm für B-Ware hielten. Coppola befand sich wegen seiner Zoetrope-Pleite in der Bredouille und stand als Produzent mächtig in der Kreide.
Die Studiobosse haben sicher etwas wie die Schwarze Serie erwartet und wollten die Handlung in die damalige Gegenwart verlegen, um Kosten bei Kostümen, Ausstattung und anderen Posten zu sparen. Und Coppola sollte ja auch gefeuert werden, weil da zuviel geredet und zu selten geballert wurde.

Insofern sehe ich da eine Ähnlichkeit zum Comic:
Entweder wird ein brisanter Stoff zum Thema des Werks gemacht oder etwas Bekanntes wird experimentell umgesetzt (bestes Beispiel: Giraud mit seinem konventionelleren Western Blueberry versus Moebius mit abgefahrenen Stories mit wilder Graphik).
James Joyce hat für seinen Ulysses ja den allseits bekannten Odysseus vom antiken Homer als Grundierung genutzt. Sein autobiographischer Vorläufer, der Kurzgeschichtenzyklus Dubliners, wird hingegen als Gesellenstück angesehen, als Vorbereitung auf den richtig großen Wurf.

In den 1940er Jahren hatte eine freiere Bearbeitung wohl bedeutet, daß Die Spur des Falken in der auf ewig Produktionshölle verschwindet. Da zeigte sich die Meisterschaft eher darin, den Zensor zu überlisten und an ihm vorbei etwas Brisantes in den Kinosaal zu schmuggeln.

Schlimme 08.02.2017 16:15

"Die Spur des Falken" hatte sehr gute Gesichter: Bogart, Lorre, Greenstreet. Das ist das Zentrum des Films, denn er zeigt vor allem, wie sich Leute in Studiokulissen gegenseitig belügen, bedrohen, belauern, gegeneinander ausspielen. Mit schlechteren Schauspielern würde das wie eine TV-Serienepisode aussehen.

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Wie es nicht funktioniert

2014 war das Buch "Bob der Streuner" dauerhaft auf Platz 1 der "Spiegel"-Bestsellerliste. Jetzt ist eine Verfilmung ins Kino gekommen (Link). Und der Film ist kein Erfolg, auch nicht in Deutschland. Vielleicht ist es der falsche Schauspieler.

Servalan 08.02.2017 16:49

Dann gibt es noch die Variante, daß Buchvorlagen fast unsichtbar in laufende Serien eingegliedert werden.
Wovon ich hier nicht rede, sind Serien, die zumindest in den ersten Folgen und Staffeln eins zu eins umgesetzt wurden (also so etwas wie die Wallander-Verfilmungen aus Schweden und UK oder Inspector Barnaby | Midsomer Murders nach Caroline Graham) und später so erfolgreich geworden sind, daß sie eine eigene Dynamik gewonnen haben.

Mir geht es um unbekannte Vorlagen, die von den meisten regelrecht überlesen und übersehen werden, weil die Serien eigene Anforderungen stellen.
Auf Anhieb fallen mir zwei Tatort-Folgen ein:
  • Der Saarland-Tatort: Das schwarze Grab (SR 2008, #704) basiert auf dem Krimi Das Schwarze Grab (Emons-Verlag 2005) von Martin Conrath. Für den größten Teil des Publikums dürfte das bloß ein gewöhnlicher Krimi mit Kappl und Deininger gewesen sein, bei dem vor allem die Kulisse unter Tage Eindruck gemacht hat. Ob das verfilmte Literatur war oder nicht, das war schnurz.
  • Tod im Elefantenhaus (NDR 1987, #192) nach dem gleichnamigen Roman (Heyne 1982) von Peter Weissflog wird für mich immer eine Stoever/Brockmüller-Episode bleiben. Den Ausschlag dürfte die prächtige Kulisse von Carl Hagenbecks Zoologischem Garten gegeben haben.
Ein Haufen von Literaturverfilmungen wird als solche überhaupt nicht wahrgenommen ...

G.Nem. 08.02.2017 19:00

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 540927)
(...) Ein Haufen von Literaturverfilmungen wird als solche überhaupt nicht wahrgenommen ...

Kleine Provokation meinerseits > Film ist ein Medium für Menschen die nicht lesen können oder nicht lesen wollen. :D

Peter L. Opmann 08.02.2017 19:32

Übrigens: Ich war heute in der Buchhandlung, und es wurde bestätigt, daß man für mich im Web bestellen kann. Ich muß dann halt einen Aufpreis zahlen - aber das wär's mir wert.

Aber "Diebe wie wir" haben wir nicht gefunden. Die Buchhändlerin sagte zudem, sie bestellt nicht von jeder Website. Ich muß wohl zum Original greifen. "Thieves like us" wird seit dem Altman-Film immer wieder neu aufgelegt.

Servalan 08.02.2017 20:00

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540937)
Kleine Provokation meinerseits > Film ist ein Medium für Menschen die nicht lesen können oder nicht lesen wollen. :D

Nun ja, da fange ich den Ball auf und werfe ihn ein wenig weiter:
Den meisten Leuten ist es piepegal, wo die Geschichten herkommen oder wer sie verfaßt hat. Hauptsache, mit ihnen läßt sich leicht die Zeit vertreiben.
Das meiste wird sowieso rasch vergessen. In Erinnerung bleibt ein schöner Abend im Kino (möglicherweise mit einem Essen vorher oder nachher) bzw. ein gelungener Abend unter Freunden.
Was da über den Bildschirm flimmert, ist eigentlich nur Mittel zum Zweck.

Ab und zu erreichen Geschichten mehr ... und dann verwandelt sich das Publikum in Fans, Nerds, Geeks ... komische Leute, halt. :zwinker:

Peter L. Opmann 08.02.2017 21:27

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 540942)
Den meisten Leuten ist es piepegal, wo die Geschichten herkommen oder wer sie verfaßt hat. Hauptsache, mit ihnen läßt sich leicht die Zeit vertreiben.
Das meiste wird sowieso rasch vergessen. In Erinnerung bleibt ein schöner Abend im Kino (möglicherweise mit einem Essen vorher oder nachher) bzw. ein gelungener Abend unter Freunden.
Was da über den Bildschirm flimmert, ist eigentlich nur Mittel zum Zweck.

Ich habe den Eindruck, ich sitze da irgendwie zwischen den Stühlen. Es gibt nur ganz wenige Menschen, mit denen ich früher zusammen ins Kino gehen konnte (bis vor zehn Jahren habe ich mir jede Woche zwei bis drei Filme angesehen). Manche sagten mir eine halbe Stunde nach Verlassen des Kinos ganz offen, sie hätten den Film schon vergessen. Hat mich damals schockiert.

Aber ich kenne auch ein paar Kinofreaks, mit denen ich - ebenfalls vor Jahren - oft zusammen auf Festivals gefahren bin, zum Beispiel Berlin oder Hof. Die haben über mich den Kopf geschüttelt, weil ich dann sagte: Ich sehe mir nur ein bis zwei Filme pro Tag an, denn alles darüber hinaus ist Reizüberflutung. Die sahen es als obligatorisch an, beim Filmfest so viele Filme wie möglich zu gucken; das waren so fünf bis sieben pro Tag.

Mick Baxter 09.02.2017 00:44

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 540834)
In den 1940er Jahren hatte eine freiere Bearbeitung wohl bedeutet, daß Die Spur des Falken in der auf ewig Produktionshölle verschwindet. Da zeigte sich die Meisterschaft eher darin, den Zensor zu überlisten und an ihm vorbei etwas Brisantes in den Kinosaal zu schmuggeln.

Es gab freiere Verfilmungen des Buchs. Aber nur die sehr werkgetreue von John Huston ist in die Filmgeschichte eingegangen.

G.Nem. 09.02.2017 07:48

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 540941)
Übrigens: Ich war heute in der Buchhandlung, und es wurde bestätigt, daß man für mich im Web bestellen kann. Ich muß dann halt einen Aufpreis zahlen - aber das wär's mir wert.

Der Aufpreis ist eben die Service-Leistung. Man hat keinen Nerv mehr mit der Lieferung, holt es einfach nur ab wenn es da ist. Außerdem unterstützt man damit den Erhalt von Buchläden in kleineren und mittleren Ortschaften, die wegen dem Online-Buchhandel unter Druck stehen.

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 540941)
Aber "Diebe wie wir" haben wir nicht gefunden.

Bist du ganz sicher, dass der Roman schon ins Deutsche übersetzt wurde? Ich hab grad mal bei ZVAB geschaut und dort nichts gefunden.

G.Nem. 09.02.2017 07:56

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 540942)
Den meisten Leuten ist es piepegal, wo die Geschichten herkommen oder wer sie verfaßt hat. Hauptsache, mit ihnen läßt sich leicht die Zeit vertreiben.

Mir geht's eigentlich um etwas anderes. Die Film-Industrie hat es geschafft sich als Film-Kunst zu etablieren. Es gibt Film-Hochschulen. Der Comic oder Graphic Novel oder wie auch immer man es bezeichnen will, gilt weltweit immer noch als Medium für Minderbemittelte (wieder provokant formuliert).

Eine der Oscar-Verleihungs-Partys wird im Haus von Thomas Mann gefeiert.
Wieso feiert die Comic-Industrie nicht dort die Verleihung von Preisen? :D
Du musst lesen können um Comics zu goutieren.
Einen Film kann sich jeder Analphabet anschauen.

Wieso feiern die Analphabeten im Thomas-Mann-Haus ihre Film-Kunst und nicht wir unsere Comic-Lese-Kunst? :zwinker:

Peter L. Opmann 09.02.2017 09:20

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540975)
Bist du ganz sicher, dass der Roman schon ins Deutsche übersetzt wurde? Ich hab grad mal bei ZVAB geschaut und dort nichts gefunden.

Ich suche nach dem Buch ja schon länger. Ich meine, ich habe mal eine deutsche Ausgabe im Internet gesehen. Aber vielleicht gibt's das Buch tatsächlich nur auf Englisch.

Wäre aber ungewöhnlich, daß ein Roman, der schon zweimal erfolgreich verfilmt wurde ("They live by Night" von 1949 ist Nicholas Rays Debütfilm!), in keiner deutschen Krimireihe auftaucht.

G.Nem. 09.02.2017 10:35

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 540977)
(...) Wäre aber ungewöhnlich, daß ein Roman, der schon zweimal erfolgreich verfilmt wurde ("They live by Night" von 1949 ist Nicholas Rays Debütfilm!), in keiner deutschen Krimireihe auftaucht.

So ungewöhnlich ist das nicht. Deutsche Verlage ignorieren vieles und grade Krimi hat ja auch den Ruch der Massenliteratur. "Wir" unterscheiden ja immer noch zwischen Hochliteratur und Trivialliteratur.

Hab jetzt noch mal ein bißchen im Netz geschaut, aber immer nur die englische Fassung gefunden. Auch mit Bildsuche kein Resultat für eine deutsche Fassung.

Servalan 09.02.2017 11:39

Zitat:

Zitat von Mick Baxter (Beitrag 540961)
Es gab freiere Verfilmungen des Buchs. Aber nur die sehr werkgetreue von John Huston ist in die Filmgeschichte eingegangen.

Huston und Bogart waren halt die besseren Selbstdarsteller, die über Jahrzehnte im Geschäft waren. Außerdem haben die später wiederholt zusammengearbeitet: Der Schatz der Sierra Madre (1948), Gangster in Key Largo (1948) und African Queen (1951). Jeder hat meist drei oder vier Filme pro Jahr ins Kino gebracht - heute unvorstellbar.

Bogart hat unglaubliches Glück bei seinen Rollen gehabt: Dank Casablanca (1942) ist er Teil der Filmgeschichte. Und privat galten Humphrey Bogart und Lauren Bacall als Traumpaar - sowohl vor wie hinter der Kamera.
Durch die Regenbogenpresse waren ihre Namen sogar Leuten geläufig, die nie ins Kino gegangen sind oder sich nicht für Filme interessiert haben. Das waren A-Promis.

Heute gibt es etliche tausend Möglichkeiten, um auf dem Malteser Falken von Huston/Bogart zu kommen. Aber bloß eine einzige, wenn du die zweite Verfilmung von Dashiell Hammett finden willst ...
Das Leben ist hart, aber ungerecht.

FrankDrake 09.02.2017 12:17

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 540942)
Den meisten Leuten ist es piepegal, wo die Geschichten herkommen oder wer sie verfaßt hat. Hauptsache, mit ihnen läßt sich leicht die Zeit vertreiben.
Das meiste wird sowieso rasch vergessen. In Erinnerung bleibt ein schöner Abend im Kino (möglicherweise mit einem Essen vorher oder nachher) bzw. ein gelungener Abend unter Freunden.
Was da über den Bildschirm flimmert, ist eigentlich nur Mittel zum Zweck

:kratz:Das ist doch der Sinn eines guten Films, abschalten vom Alltag und sich unterhalten lassen.

Eldorado 09.02.2017 12:18

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540975)
Man hat keinen Nerv mehr mit der Lieferung, holt es einfach nur ab wenn es da ist. Außerdem unterstützt man damit den Erhalt von Buchläden in kleineren und mittleren Ortschaften, die wegen dem Online-Buchhandel unter Druck stehen.

Also ich finde es ja aufwändiger, sich auf den Weg zu machen um etwas abzuholen, anstatt es sich einfach nach Hause schicken zu lassen. Und anscheinend sehen das Millionen andere ebenso. ;)
Diese Aktion, den Buchhändler zu unterstützen und für sich selbst im Internet bestellen zu lassen ist zwar ein klares und bewusstes Statement, aber einfach und bequem ist doch was Anderes.

Deiner Analyse der unterschiedlichen öffentlichen Rezeption von Filmen und Comics stimme ich allerdings zu.
Und weil ich ja nicht nur geldgieriger Händler sondern ebenfalls an der Förderung und Popularisierung der Comic-Kunst interessiert bin,
startet mit mir im März ein größeres Projekt, dass dazu hoffentlich etwas beitragen kann - hier zuerst gelesen! :ae:

Peter L. Opmann 09.02.2017 12:39

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540986)
Diese Aktion, den Buchhändler zu unterstützen und für sich selbst im Internet bestellen zu lassen ist zwar ein klares und bewusstes Statement, aber einfach und bequem ist doch was Anderes.

Kommt drauf an. Die Paketboten, die eine Karte in den Briefkasten werfen, ohne zu klingeln, weil sie schon vor einer halben Stunde Feierabend gehabt hätten, finde ich auch nicht sehr bequem. Manchmal ist man ja tatsächlich nicht zuhause, und selbst wenn man das Paket beim Nachbarn abholen kann, ist das auch nicht optimal.

Ich bin ohnehin fast täglich in der Innenstadt ungterwegs, und wenn ich dazu beitragen kann, daß die Buchhandlung nicht dichtmacht und stattdessen ein Sportwetten-Büro einzieht, finde ich das gut.

Hauptmotiv für mich ist aber, daß das Internet nicht mehr Informationen über mich haben und speichern sollte als unbedingt nötig.

Pickie 09.02.2017 12:52

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540986)
im März ein größeres Projekt

Hört sich gut an!

G.Nem. 09.02.2017 13:10

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540986)
Also ich finde es ja aufwändiger, sich auf den Weg zu machen um etwas abzuholen, anstatt es sich einfach nach Hause schicken zu lassen.

Wenn du nicht zu Hause bist, landet ein Abholschein in deinem Briefkasten und dann latscht du ebenfalls los.
Oder ein brachialer Zusteller stopft dir das Teil mit Gewalt in den Briefkasten.

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540986)
Und anscheinend sehen das Millionen andere ebenso. ;)

Wenn das Millionen andere auch so sehen würden, gäbe es keine Buchläden mehr. :D

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540986)
Diese Aktion, den Buchhändler zu unterstützen und für sich selbst im Internet bestellen zu lassen ist zwar ein klares und bewusstes Statement, aber einfach und bequem ist doch was Anderes.

Sehe ich anders. Der Buchhändler meines Vertrauens recherchiert auch nach selten Büchern die ich noch suche und hat Kontakt mit anderen Antiquariaten etc. Das ist ein Service den irgendwelche Amazonen nicht bieten. :D

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540986)
Deiner Analyse der unterschiedlichen öffentlichen Rezeption von Filmen und Comics stimme ich allerdings zu.

Moment mal, so geht das aber nicht ... mir einfach zuzustimmen ... also das gibt's doch gar nicht. Unglaublich. :D

Servalan 09.02.2017 13:11

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540976)
Mir geht's eigentlich um etwas anderes. Die Film-Industrie hat es geschafft sich als Film-Kunst zu etablieren. Es gibt Film-Hochschulen. Der Comic oder Graphic Novel oder wie auch immer man es bezeichnen will, gilt weltweit immer noch als Medium für Minderbemittelte (wieder provokant formuliert).

Eine der Oscar-Verleihungs-Partys wird im Haus von Thomas Mann gefeiert.
Wieso feiert die Comic-Industrie nicht dort die Verleihung von Preisen? :D
Du musst lesen können um Comics zu goutieren.
Einen Film kann sich jeder Analphabet anschauen.

Wieso feiern die Analphabeten im Thomas-Mann-Haus ihre Film-Kunst und nicht wir unsere Comic-Lese-Kunst? :zwinker:

Entscheidend sind aus meiner Sicht historische Ereignisse mit ihren Konsequenzen, die sich nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln lassen.

Die großen Ideologen des 20. Jahrhunderts haben ja den Wert des Kinos als nützliches Propagandamedium recht früh erkannt: Das Spektrum reicht von den Kommunisten unter Lenin (siehe Eisensteins Oktober und Panzerkreuzer Potemkin) über Mussolini (mit dem Schaufenster der Filmfestspiele in Venedig) bis zu Goebbels und dem Disney-Fan mit dem Chaplin-Schnauzer. Bei der Etablierung der Berlinale hat der Kalte Krieg eine wichtige Rolle gespielt (Trizonesien vs. SBZ).
Bis der Kintopp zur anerkannten Kunst wurde, hat es auch Generationen gedauert. Den endgültigen Durchbruch dürfte die Cinémathèque française im Mai '68 bei den Studentenunruhen gebracht haben.
Dank des Bildungsanspruchs konnte der Ansatz auch in der deutschen Presse fruchten: Michael Althen konnte im Öffentlich-Rechtlichen seine Rezensionen zu kleinen Lektionen in Sachen Filmgeschichte und Filmkunst aufbauen. Durch Dokuserien wie die von Kevin Brownlow wurde eine breite Grundlage geschaffen ...

In den USA könnte mit der March-Trilogie von John Lewis, Andrew Aydin und Nate Powell etwas Ähnliches gelingen: Da wird gerade eine ganze Generation geprägt. An dem Comic kommt eigentlich kein Amerikaner mehr vorbei.

G.Nem. 09.02.2017 13:17

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 540986)
Und weil ich ja nicht nur geldgieriger Händler sondern ebenfalls an der Förderung und Popularisierung der Comic-Kunst interessiert bin,
startet mit mir im März ein größeres Projekt, dass dazu hoffentlich etwas beitragen kann - hier zuerst gelesen! :ae:

Ach so – da bin ich freudig gespannt drauf. :top:

G.Nem. 09.02.2017 13:18

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 540993)
Die großen Ideologen des 20. Jahrhunderts haben ja den Wert des Kinos als nützliches Propagandamedium recht früh erkannt: Das Spektrum reicht von (...)

Eben genau als Instrument für Schichten die nichts lesen!!!!!

Servalan 09.02.2017 13:46

Gelesen wird doch: Harry Potter, die Bis(s)-Tetralogie, Fifty Shades of Grey, Die Tribute von Panem und und und.
Das sind die Bestseller, die jemand heute kennen muß, um nicht völlig blöde dazustehen und sich zu blamieren. Wer heute nichts mit Muggels und Hogwarts anzufangen weiß, katapultiert sich selbst ins Abseits.

Seit dem Trump/Lewis-Duell auf Twitter hat es March in diese Liga geschafft ...

G.Nem. 09.02.2017 17:54

@ Servalan – Sorry, ich verstehe nicht was du mir jetzt sagen willst?

Generell – ich mag Filme, aber ich mag es nicht, wenn sich z.B. eine Professorin einer Film-Hochschule in einer Ansprache hinstellt und Comics / Graphic Novels / Mangas etc. als minderwertiges Zeug abtut.
Nur als ein Beispiel von vielen.

Schlimme 09.02.2017 19:33

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 540977)
Ich suche nach dem Buch ja schon länger. Ich meine, ich habe mal eine deutsche Ausgabe im Internet gesehen. Aber vielleicht gibt's das Buch tatsächlich nur auf Englisch.

In der Deutschen Nationalbibliothek finde ich bei "Edward Anderson" nur Sachbücher

http://d-nb.info/1113986816

http://d-nb.info/1045626783

Servalan 09.02.2017 19:36

Vorurteile lösen sich nicht von heute auf morgen in Wohlgefallen auf.
Das dauert etwas länger, und mühsam ist es auch.
Das liegt an der Tatsache, daß die besten Argumente häufig ungehört verhallen. Unsere Primatenspezies entscheidet zuerst aus dem Bauch heraus.
Was wir Experten hier und anderswo zutage gefördert haben, bleibt meist in unserem übersichtlichen Kreis. Um etwas zu bewirken, müssen wir jedoch eine breite Öffentlichkeit erreichen. Das passiert ziemlich selten.
Spiegelmans Maus war so ein Glücksfall, später Marjane Satrapis Persepolis und in diesen Wochen March.

Bei Spiegelman haben sie alle noch die Stirn gerunzelt, die Großkopferten in den Feuilletons und an den Universitäten: Darf der das, den Holocaust im Comic zeigen? Kann ein Comic das überhaupt? Ist das nicht das falsche Medium? Hätte Spiegelman das nicht besser in einem Roman oder einem Spielfilm verarbeitet? Blah blah blah.

Bei March werden diese Fragen nicht mehr gestellt. Der wird von der Kritik mit Preisen bis zum gehtnichtmehr überschüttet und stürmt die Verkaufscharts des größten Onlinehändlers. Jedes dumme Geschwätz verstummt da. Der Erfolg wird höchstens staunend zur Kenntnis genommen.
Außerdem glaube ich, daß durch das Presseecho auch all jene einen gewaltigen (positiven!) Eindruck von der Trilogie haben, die noch einen Comic in Händen gehalten haben.

Nachdem sich der Film von der Jahrmarktsattraktion zur festen Spielstätte im Stadtbild gewandelt hatte, vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis sich der Tonfilm durchgesetzt hatte, wurde Film ja geringschätzig betrachtet.
Kafka ging zwar ins Kino, aber erst Hanns Zischler hat diese Tatsache gewürdigt. Der Stummfilm ist nämlich deutlich sperriger als das klassische Hollywood-Erzählkino, und realistisch ist er auch nicht immer.
Hinzu kommen die Kinofilme, die über das Fernsehen in jedes Wohnzimmer ausgestrahlt wurden. Wer diese Dauerpräsenz ignorieren wollte, mußte sich schon ordentlich anstrengen und wurde meist scheel angesehen ("Was, ihr habt keinen Fernseher? Was, du darfst nicht fernsehen?").
Dieser Vorteil fehlt dem Comic.

Was damals mit Spiegelman abgelaufen ist, sehe ich wie die Anfänge der Filmwissenschaft bei den Cinéphilen der 1920er und 1930er: Lotte Eisner, Rudolf Arnheim, Georg Lukács, Béla Balázs und Siegfried Kracauer.
Die verwickelte Wechselwirkung zwischen politischen Statement (Anti-Trump), historischem Comic (Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegung) und den schwelenden Konflikten (Polizeigewalt, Rassismus) treffen die Gesellschaft der USA ins Mark - so wie der Mai '68, der ja auch mit Film (Nouvelle Vague, Cahiers du cinéma), Rock'n'Roll, Philosophie und einem Lifestyle verbunden ist.

Etwas Vergleichbares läßt sich in und für Europa nicht am grünen Tisch planen ...

Peter L. Opmann 09.02.2017 20:15

Vielen Dank an Gabriel und Schlimme fürs Mitsuchen. Vielleicht übersetze ich "Thieves like us" dann selbst mal. :zwinker: Ist ein Pulproman, soll aber laut Kundenrezensionen seine Qualitäten haben. Robert Mitchum wollte deshalb im Film unbedingt mitspielen - die Rolle paßte aber damals nicht zu seinem Starimage.

Servalan 10.02.2017 16:36

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 540995)
Eben genau als Instrument für Schichten die nichts lesen!!!!!

Filme haben etliche Vorteile, die Comics beim besten Willen nicht toppen können. Seit dem Sterben der großen Comicmagazine ist es ziemlich unübersichtlich geworden. Interessierte Neulinge finden sich in der Masse nicht zurecht und bleiben lieber fern.
Insofern bleibt bloß noch ein winziges Fenster, in dem Comics (und Bücher) Aufmerksamkeit bekommen: nämlich dann, wenn sie in den Handel kommen und rezensiert werden. Außerdem beschleunigt sich der Turnus, in dem alte Ware remittiert wird. Früher war das ein halbes Jahr, heute bestenfalls drei bis vier Wochen.

Filme können schon in der Vorproduktion Aufmerksamkeit erzeugen, indem Casting, berühmte Regisseure und andere Sachverhalte veröffentlicht werden. Bei Franchises wie James Bond 007 von den Broccolis wird das über zwei Jahre genüßlich zelebriert: Hier ein Spoiler, der neue Hauptdarsteller, der Titel, der Teaser, der Trailer ...
Der Strom an Infos reißt nicht ab und läßt ein neugieriges Publikum zurück.
Bei Serien wie Game of Thrones, Dr Who oder vom Sender HBO vergeht kaum ein Tag ohne neue Brocken.
Durch die immer länger werdende Verwertungskette vom Kino über DVD/BluRay und weitere Franchiseprodukte wird das mögliche Publikum systematisch angesprochen.

Büchern und Comics gelingt das nur, wenn ihre Autoren zu Popstars werden, die von ihren Fans unterstützt werden und über Mund-zu-Mund-Popaganda (oder fb) Leute ansprechen, die das Werk sonst nicht angerührt hätten.
Wie ich das sehe, sind Lewis, Aydin und Powell (das Triumvirat von March) in den USA mittlerweile ebenso berühmt wie J.K. Rowling oder Suzanne Collins.
Dadurch kippt das Marketing.
Während Unbekannte mühsam auf den Markt gepusht werden müssen, zieht das Publikum auf der anderen Seite und schafft Nachfrage (pull).

G.Nem. 10.02.2017 19:40

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541083)
(...) Büchern und Comics gelingt das nur, wenn ihre Autoren zu Popstars werden, die von ihren Fans unterstützt werden und über Mund-zu-Mund-Popaganda (oder fb) Leute ansprechen, die das Werk sonst nicht angerührt hätten. (...)

Sehe ich anders. Kennst du die 'Lotta-Leben'-Bücher von Alice Pantermüller und Daniela Kohl? Eine Mischung aus Text- und Comic-Buch. Zum Teil brüllend komisch und sind jetzt ein Hit eben weil sie brüllend komisch sind.
Die Qualität der Werke muss einfach einen Nerv treffen!

G.Nem. 10.02.2017 19:46

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 541018)
(...)Vielleicht übersetze ich "Thieves like us" dann selbst mal. :zwinker: (...)

Mach doch einfach mal eine Probeübersetzung des 1. Kapitels oder so, und biete es dann an. Vorausgesetzt der Roman taugt was. Soll ja vorkommen, dass Verfilmungen besser sind als die Roman-Vorlage.

Peter L. Opmann 10.02.2017 20:35

Diese Aussage habe ich nicht zufällig mit einem Smiley versehen. Ich kann zwar ganz gut Englisch, aber ich bin kein Übersetzer und will auch keiner werden, denn wie man so hört, ist das auch nicht viel lukrativer als Comiczeichnen.

Wenn ich könnte, würde ich einem Lektor, der eine Krimireihe betreut, oder auch mehreren gern mal einen Hinweis auf das Buch geben. Aber dazu kenne ich mich im Krimigenre zu wenig aus. Vielleicht gibt's ja sogar einen Grund dafür, daß die Verlage die Finger von diesem Buch lassen (den ich bloß nicht kenne).

Schade übrigens, daß die Filme nach "Thieves like us" nicht in den Thread der "Filme der 50er bis 70er Jahre" passen, denn Nicholas Rays Film kam vor 1950 raus. Ich habe beide um 1990 hintereinander auf eine 240er Videocassette aufgenommen, und ich fand es sehr anregend, mir beide Filme hintereinander anzusehen. Ray legt den Grundstein für seine erfolgreichen Melodramen ("Johnny Guitar", "Rebel without a Cause"); Altman macht einen typischen New-Hollywood-Film.

Brisanzbremse 10.02.2017 21:01

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 541097)
Schade übrigens, daß die Filme nach "Thieves like us" nicht in den Thread der "Filme der 50er bis 70er Jahre" passen, denn Nicholas Rays Film kam vor 1950 raus.

Den Thread "DVD-Vorstellungen der 50er bis 70er Jahre-Filme" sollte man MMn umbenennen/erweitern zu "Film- und Fernsehklassiker des letzten Jahrhunderts". Ersteller Ivanhoe hatte sich doch sowieso irgendwann von dem Faden "losgesagt". (Etliche Filme, die ich so sehe, sind tatsächlich noch älter als 50er Jahre... :regen:) Huch, es gibt neue Smilies!

underduck 10.02.2017 21:03

Dann mach das mal. ;)

Frank 10.02.2017 23:12

Ich hab das jetzt mit "Klassiker, Evergreens und Kabinettstückchen" zusammengeführt (und überprüft, dass die Beiträge so noch Sinn ergeben) und umbenannt. Falls jemand einen griffigeren Titel hat, nur her damit.

Servalan 10.02.2017 23:20

Zitat:

Zitat von G.Nem. (Beitrag 541095)
Sehe ich anders. Kennst du die 'Lotta-Leben'-Bücher von Alice Pantermüller und Daniela Kohl? Eine Mischung aus Text- und Comic-Buch. Zum Teil brüllend komisch und sind jetzt ein Hit eben weil sie brüllend komisch sind.
Die Qualität der Werke muss einfach einen Nerv treffen!

:fragen: Jetzt wechselst du aber mitten in der Diskussion das Thema. :staun:
Solange es um den Erfolg einzelner Werke geht, gebe ich dir recht.

Der Thread dreht sich aber um das Ansehen, den Status, die Reputation eines Mediums generell. Du beklagst du ja, daß einige Torfnasen Comics immer noch als etwas Minderwertiges behandeln. Dieselben Leute trauen sich aber nicht, das Medium Film in Bausch und Bogen zu verurteilen, stattdessen mäkeln sie an einzelnen schlechten Filmen herum.
Ein einzelnes erfolgreiches Buch auf weiter Flur bringt da nichts.
Wenn du das Denken auf den Kopf stellen und den Leuten ihre Vorurteile aus dem Oberstübchen blasen willst, brauchst du stärkere Mittel.

Das muß so tiefgreifend und nachhaltig sein wie Werthams Empörungskampagne in den 1950ern. Der Rummel um March hat meiner Ansicht nach das richtige Kaliber, um neue Grundlagen zu schaffen.
In Geschichte eines Mediums gehen solche Werke nur ein, wenn sie mehrere Nerven gleichzeitig treffen. March ist gerade abgeschlossen worden, sprich: es ist vollständig. Außerdem ist es mehrfach mit der Geschichte der USA verbunden (damals MLK, heute Trump und Black Lives Matter). Mit den drei Autoren entsteht da eine gewaltige Präsenz ...
Die Leute müssen den Comic nicht gelesen haben, aber sie sollten wenigstens eine Ahnung haben, wovon die Rede darin ist. Um diesen Effekt geht es mir.

G.Nem. 11.02.2017 06:52

Na ja, hab ich wirklich das Thema gewechselt? Hier geht es doch um vom 'Schreiben zum Verfilmen'. Und die Filmindustrie leugnet oft die Comic-Vorlage.
Gerade voreingenommene Professoren an den Film-Hochschulen halten ihre Kunst für die Grösste.

Zu deinem Punkt mit 'March' ...

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541121)
(...) Der Rummel um March hat meiner Ansicht nach das richtige Kaliber, um neue Grundlagen zu schaffen.

Das glaube ich für den deutschsprachigen Raum nicht. Denn wie du richtig schreibst ...

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541121)
(...) Außerdem ist es mehrfach mit der Geschichte der USA verbunden (damals MLK, heute Trump und Black Lives Matter).

Das ist genau der Punkt den hier bei uns die breite Masse nicht interessieren wird. 'March' wird bei uns ein Phänomen des Feuilletons bleiben – orakle ich mal provokativ. Um einen Effekt wie bei 'Maus' zu haben, bräuchtest du einen Comic/Graphic-Novel/Manga mit weltweitem Interesse.

G.Nem. 11.02.2017 07:01

Generell müsste in D/Ö/S die Trennung von Hoch- und Trivial-Literatur in den Köpfen aufgehoben werden.
Das sehe ich immer nur in zarten Ansätzen, aber nicht in der breiten Masse.
Grade in meinem direkten Umfeld, also mit Normal-Menschen die mit Co/Gra-No/Ma nur in normalen Buchhandlungen oder an Zeitschriftenständen in Berührung kommen.

Servalan 11.02.2017 12:37

Aus der Froschperspektive sieht das meiste riesig aus.
Verglichen mit unseren Nachbarländern werden auch Kinos deutlich seltener besucht. Schweizer und Franzosen gehen meines Wissens dreimal öfter ins Cineplex oder Arthouse-Kino.

Ich glaube, die Kollegen von der 8. Kunst laborieren da selber an einem Minderwertigkeitskomplex. Einerseits wollen sie ihren hohen Status behalten und beißen eufersüchtig jede mögliche Konkurrenz weg.
Andererseits ist über mehr als hundert Jahre eine Rivalität herangewachsen, die von Generation zu Generation weiter gegeben wird: In der Filmvorführrung der Brüder Lumière im Grand Café 1895 sehen heute noch viele die Geburtsstunde des Films; im selbem Jahr erschien R.F. Outcaults The Yellow Kid.
Dabei hege ich den Verdacht, daß der wirkliche Rivale des Films inzwischen Games geworden sind. Deren Reputation hat sich ja deutlich verbesssert. Allein wegen der Masse an Titeln, am Umsatz und dem jungen Publikum (15 bis 35 Jahre, das Wunschpublikum der Werbeindustrie) sehe ich in Games ein Leitmedium.

Scott McClouds Idee von der endlosen Leinwand (im virtuellen Raum des Cyberspace) hat ihn auch zu einem Idol im IT-Bereich werden lassen.
Vielleicht sehen solche Filmwissenschaftler, auf die du oben anspielst, Comics als ein lästiges Übel und eine Zeitverschwendung. Wenn die sich zu Comics bloß rasch was anlesen, um es irgendwo zitieren zu können, ansonsten aber das Medium meiden, schleifen sich Gewohnheiten ein.
Dann wird reflexhaft zugebissen (schöne Grüße von Pawlow!).

Den Umstand halte ich für ein Symptom, die Ursache liegt tiefer.
Die meisten Leute sind nach ihrem Tageswerk müde und wollen entspannen, also darf es nicht zu anspruchsvoll sein. Til Schweigers Erfolgsfilme mit ihrem Millionenpublikum werden vom Feuilleton ebenfalls kritisch beäugt.
Beim Film merken die Leute nämlich nicht, wie ihre Wahrnehmung leise Höchstleistungen vollbringt. Sie genießen es, in fremde Welten einzutauchen und mitzufiebern oder mitzuschmachten.
Dabei kann ich mich noch erinnern, wie die Presse bei Highlander förmlich aufjaulte. Russell Mulcahys Werk sei eine platte Mischung aus Werbeclip und MTV-Musikvideo. Im Rückblick wirkt diese Klage grotesk.
Solche Blockbuster führen ein- oder zweimal pro Generation vor, wie sich das Sehen im besonderen und die Wahrnehmung im allgemeinen ändern.
Wer schon mit Blade Runner und Terminator nüscht anfangen konnte, ist mit Inception und James Camerons Avatar überfordert - und wendet sich irgendwann vom Kino ab.

In meinem Bekanntenkreis habe ich mehrfach den Spruch gehört, ihnen seien Comics zu anstrengend. Diejenige wüßte nicht, was sie zuerst lesen solle, den Text oder das Bild - also lassen sie das mit den Comics ganz. :rolleye:

Eldorado 11.02.2017 16:55

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541146)
Dabei kann ich mich noch erinnern, wie die Presse bei Highlander förmlich aufjaulte....
Solche Blockbuster führen ein- oder zweimal pro Generation vor, wie sich das Sehen im besonderen und die Wahrnehmung im allgemeinen ändern.
Wer schon mit Blade Runner und Terminator nüscht anfangen konnte, ist mit Inception und James Camerons Avatar überfordert - und wendet sich irgendwann vom Kino ab.


Weder "Highlander", noch "Blade Runner" waren große Publikumserfolge als sie herauskamen sondern galten zunächst sogar als Flops. Beide Filme haben erst später ihren Kultstatus entwickelt, aber als "Blockbuster"-Beispiele fürs Massenpublikum taugen sie nicht.

Servalan 11.02.2017 18:30

Ähem, was hast du nur mit den Blockbustern? Natürlich kannst du jeden Satz aus dem Zusammenhang reißen und deine zwei Cents dazu geben. Wenn du meinen Post insgesamt betrachtest, solltest du bemerkt haben, daß es mir nicht um Blockbuster ging.
(Nur wer nix macht, macht keine Fehler! Aber Funkstille gefällt underduck & Co. bestimmt nicht.)

Mir ging es darum, wie Sehgewohnheiten geprägt werden.
Das kann mit Blockbustern geschehen. Wenn die Fanbasis aber eine kritische Masse erreicht, die ständig am Herumwuseln ist und dem Kinoflop über längere Zeit im Gespräch hält - dann wird ein Kultfilm daraus. Und der kann auch Sehgewohnheiten prägen.
Mir ging es eher um den Generationsunterschied: Wer in jungen Jahren Blade Runner oder Highlander im Kino gesehen hat, der hat sich meist eine eigene Meinung gebildet. Über den Verriß im Feuilleton hingegen haben dieselben Leute verständnislos den Kopf geschüttelt.
Diese Generation sitzt heute in den Redaktionsstuben und bringt ihre Meinung unters Volk. Die holen ihre Begeisterung von gestern nach, indem jetzt Inception und Avatar feiern.
Zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre später (also 2035 bis 2040) dürften sie den Draht zu ihrem Publikum verlieren. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Irgendwann verlieren sie den Anschluß. Dann schütteln die jungen Leute verständnislos ihre Köpfe - und für das Publikum sind das alte Säcke, deren beste Zeit vorbei ist ...

Eldorado 11.02.2017 20:10

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541174)
Ähem, was hast du nur mit den Blockbustern? Natürlich kannst du jeden Satz aus dem Zusammenhang reißen und deine zwei Cents dazu geben.

Ich hab den Begriff nicht ins Spiel gebracht. Du hast Filme als Blockbuster bezeichnet die definitiv keine waren. Und deshalb halt auch nicht für Deine Argumentation passen.


Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541174)
Wer in jungen Jahren Blade Runner oder Highlander im Kino gesehen hat, der hat sich meist eine eigene Meinung gebildet.

Wie schon erwähnt: Hat halt kaum jemand getan.

Du bastelst Dir eben immer gerne irgendwelche Theorien oder Argumenttionsketten zusammen in denen eines nicht zum Anderen passt und die keiner gründlicheren Betrachtung standhalten.


Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541174)
Diese Generation sitzt heute in den Redaktionsstuben und bringt ihre Meinung unters Volk. Die holen ihre Begeisterung von gestern nach, indem jetzt Inception und Avatar feiern.
Zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre später (also 2035 bis 2040) dürften sie den Draht zu ihrem Publikum verlieren. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Ich beiß den Faden dann doch einfach mal ab und halte auch das für ziemlichen Unsinn. Reine Mutmaßungen, die als Fakten dargestellt werden.

G.Nem. 12.02.2017 09:39

Zum Thema Medienpräsenz – die bayerische Filmförderung gibt alle zwei Monate ein Print-Magazin 'Film-News' mit Berichten zu ihrer Arbeit heraus > genaue Infos dazu unter www.fff-bayern.de
In der aktuellen Ausgabe 1/2017 werden wie immer im Schlußteil geförderte Film-Projekte gelistet.
Aktuell der Kinofilm YAKARI der sich als Animation in Produktion befindet.
An der Produktion beteiligt sind die Fa. WunderWerk zusammen mit Dargaud Media und Universum Film.
Dort wird mit keinem Wort erwähnt, dass es sich um eine Comic-Vorlage handelt und von wem diese stammt.
So sieht's aus.

Mick Baxter 12.02.2017 10:20

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 541181)
Wie schon erwähnt: Hat halt kaum jemand getan.

Wer zu der Zeit ins Kino ging, hat die aber schon mitgekriegt. Die liefen auf den großen Kinoleinwänden und länger als eine Woche.

Servalan 12.02.2017 11:42

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 541181)
Ich beiß den Faden dann doch einfach mal ab und halte auch das für ziemlichen Unsinn. Reine Mutmaßungen, die als Fakten dargestellt werden.

Gut, Mr Superchecker, wenn du bloß die jeweils aktuellen Filmstarts beurteilst, magst du recht haben. Aber ich sauge mir meine Argumente nicht aus den Fingern.

Von der Größe her ist diese Hauptstadt eines Flächenlandes eine mittlere Kleinstadt, und doch gab es hier in den 1990ern neben dem späteren Cinemaxx und dem Kommunalen Kino drei oder vier weitere kleine Kinos. Außerdem läuft an der Universität im Semester dauernd eine Reihe mit bekannten Filmen (von der Feuerzangenbowle über Rocky Horror Picture Show bis zu Blade Runner).
Wer wollte, bekam in diesem Provinzkaff alle zwei oder drei Jahre die Möglichkeit, sich Blade Runner auf der Leinwand reinzuziehen. Und wenn mal wieder eine besser rekonstruierte Fassung von Metropolis einen Filmstart bekam, konntest du sicher sein, irgendwo Blade Runner im Kino zu finden.
Deshalb glaube ich, daß das kein Einzelfall gewesen ist. In Tübingen, Stuttgart oder Bremen zum Beispiel kann ich mir die Situation ähnlich vorstellen.
Die stille Post in den Seminarräumen der Unis und Kunsthochschulen läuft ja fernab der Presse. Aber da entstehen solche Favoriten, die als Referenzen für künftige Autoren und Künstler ihre Wurzeln schlagen.

Allerdings habe ich in meiner Zeit im Kommunalen Kino mitbekommen, daß hier vieles anders läuft als in den Metropolen Hamburg, München oder Köln-Rhein-Ruhr. Berlin war noch einmal ein Sonderfall: Was dort an der Kinokasse funktionierte, fiel hier hier an der Förde durch (Bollywood, Asiatisches Kino, Anime).
Umso mehr fallen mir daher Filme auf, die dann doch mit Verspätung ihr Publikum finden. Bei den Animes zum Beispiel hat das unglaublich lange gedauert. Da blieben trotz Miyazakis Berlinaleerfolg die Ränge leer.

Servalan 17.02.2017 19:24

Zitat:

Zitat von Eldorado (Beitrag 541161)
Weder "Highlander", noch "Blade Runner" waren große Publikumserfolge als sie herauskamen sondern galten zunächst sogar als Flops. Beide Filme haben erst später ihren Kultstatus entwickelt, aber als "Blockbuster"-Beispiele fürs Massenpublikum taugen sie nicht.

Entweder Blockbuster oder Flop, das finde ich ziemlich unbefriedigend.

In dem Post, auf den du anspielst, habe ich mich unglücklich ausgedrückt, aber ich wollte einen neunmalklugen, wasserdichten Kommentar vermeiden. Das hätte wahrscheinlich Stunden gedauert, bis ich den perfekt editiert hätte.

In Kino wie es keiner mag (Ullstein populäre Kultur 1984) hat Rolf Giesen meinungsfreudig über "die Schlechtesten Filme der Welt" (so der Untertitel) abgelästert. Sein drastischer Rant trifft den Kern der Sache, obwohl er sich in manchen Details arg verschätzt.
Die Filmförderanstaltsleichen mit ihrer Handvoll Besucher, die spätestens nach einer Woche wegen mangelnden Publikums aus den Schachtelkinos flogen - ja, das waren echte Flops. Weil häufig Öffentlich-Rechtliche Fernsehsender das Zeug mitfinanziert hatten und haben, wird die pflichtgemäße Ausstrahlung in die tiefste Nacht verschoben.
Giesen mokiert sich zum Beispiel über einen österreichischen Bodybuilder, der trotz seines starken Akzents in den USA ein Filmstar werden wollte. Schwarzeneggers Erfolg als fünfmaliger Mister Universum und siebenmaliger Mister Olympia ist für ihn bloß ein peinlicher Witz. Arnies Anfänge vor der Kamera in Pumping Iron und Conan verreißt er genüßlich. - Nun ja, da hat sich Rolf Giesen geirrt, heute ist Arnie ein Star von Weltrang.

Allerdings gibt es ein breites Mittelfeld: Also Filme, die ihr Publikum erst mit teilweise erheblicher Verzögerung finden. Aus meiner Sicht sind das Filme, bei denen Kinobetreiber noch Potentiale sehen und die wenigen Kopien in Open-Air-Programmen, im Sommerprogramm oder in Sonderschienen wiederholt einsetzen.
Ob das alles Kultfilme sind, bezweifle ich.
Aber Flops sind das genau so wenig.

Peter L. Opmann 17.02.2017 20:42

Es läßt sich kaum ermessen, wie einflußreich "Blade Runner" ist - bis heute. Der Look dieses Films war völlig neu und wurde und wird immer wieder kopiert. Manche sagen, es sei erstaunlich, wie gut die Macher die heutige Kultur, speziell an der Westküste, der USA vorhergesehen haben. Die allgegenwärtige Werbung, die Vermischung von amerikanischem und ostasiatischem Lebensstil, die Schäbigkeit der Zukunft. Ich glaube, "Blade Runner" hat dem Genre Science Fiction einen Blattschuß gesetzt ("den Todesstoß versetzt" würde es wohl nicht ganz treffen), denn man glaubt seither nicht mehr, daß die Zukunft besser wird.

Der Ruf dieses Films breitet sich bis heute langsam, aber stetig aus. Im Kino hat er sein Geld nie eingespielt, aber es kamen ja dann Video und DVD; damit wurde er zu einem Riesenerfolg.

Als Philip-K.-Dick-Fan bin ich in einem Zwiespalt. Der Roman, der dem Film zugrundeliegt, "Do Androids dream of Electric Sheep?", ist voller logischer Fehler und insgesamt wohl ein Werk, das der Autor schnell zusammengebastelt hat, um etwas Geld zu verdienen. Aber er ist trotzdem gut geschrieben. Die Eingangsszene, in der Rick Deckart versucht, seine Frau dazu zu bewegen, ihre Gefühle manipulieren zu lassen, ist grandios. Aber Ridley Scott und seine Drehbuchautoren Fancher und Peoples haben genau das Richtige getan, indem sie sich aus dem Buch nur ein paar Kernmotive herausgegriffen und daraus etwas Neues gemacht haben.

Servalan 17.02.2017 23:13

Na ja, in den 1980er Jahren hat sich der Gedanke einer schäbigen Zukunft zumindest in der Science Fiction durchgesetzt: Die britische New Wave beginnt ja schon den 1960er und 1970er Jahren. Mir fallen Namen wie J.G. Ballard, Brian Aldiss und John Brunner ein. Durch William Gibsons Neuromancer und Neal Stephensons Snow Crash entwickelte sich aus diesen Dystopien allmählich der Cyberpunk.

Blade Runner war 1982 gewissermaßen der früheste Vorbote. Als Stars konnten Ridley Scott, Harrison Ford und Rutger Hauer eine gewisse Aufmerksamkeit garantieren, aber ihre Profile waren noch nicht scharf genug, um jenseits von Gut und Böse zu sein. Und die FSK 16 sorgte dafür, daß ein möglicher Teil des Publikums draußen bleiben mußte.
Was es an Vergleichbarem gab, befand sich unter dem Radar: In der ersten Staffel des 7. Doctors Sylvester McCoy gibt es eine vierteilige Episode, "Paradise Towers" (BBC 1987). Drehbuchautor Stephen Wyatt hat sich dafür etliche Anleihen bei J.G. Ballards berühmtem Roman High-Rise (1975) erlaubt - gewissermaßen eine familienfreundliche Version davon.

Den entscheidenden Drive dürfte Die totale Erinnerung – Total Recall (USA 1990, Regie: Paul Verhoeven) mit Arnold Schwarzenegger und Sharon Stone gegeben haben. Zu dem Zeitpunkt hatte Arnie schon ein höheres Gewicht als Harrison Ford in Blade Runner.
Diese Story hat damals einen Nerv getroffen. In den 1990er war ständig die Rede davon, daß in der Science Fiction jetzt die Weltraumopern in eine Innerlichkeit umschlagen. Stichwort: "From Outer Space (in)to Innerspace".
Total Recall verwandelte dieses Schlagwort in eine actionreiche Geschichte, bei der das Publikum diesen Wechsel durch Arnold Schwarzenegger durchlebt. Dort wurde das Beste aus beiden Welten geboten.
Moebius' Sternenwanderer / Edena-Saga wirkt dagegen ziemlich verkopft und abgehoben. Total Recall hingegen erreichte trotz des Cyberspace-Themas Leute, denen der spirituelle Klimbim am Allerwertesten vorbeiging.

Mick Baxter 18.02.2017 02:12

Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 541688)
Im Kino hat er sein Geld nie eingespielt

Und woher weiß man das? Ich wage das zu bezweifeln. Die Produktionskosten sind nicht bekannt, sollten sich aber in vergleichbaren Höhen bewegt haben ("Alien" hat 11 Mio. gekostet, teurer war "Blade Runner bestimmt, aber mit dem Vierfachen konnte man das wohl produzieren). Das Einspielergebnis wird bei boxofficemojo mit 32,868,943$ angegeben, da sind aber die Einnahmen außerhalb der USA nicht erfaßt.

Zitat:

Zitat von Servalan (Beitrag 541691)
Blade Runner war 1982 gewissermaßen der früheste Vorbote.

Vorbote von was? Ich hab mir 1984 in Vorbereitung auf "Der Schrecken der Galaxis" alles an SF-Filmen angeschaut, das damals im Kino lief (und damals konnte man wirklich alles im Kino sehen, da es zum Wochenende immer Doublefeatures zu bestimmten Themen gab). Und vor "Blade Runner" gab es nicht nur "Star Wars", sondern auch "Alien", "Das schwarze Loch", "Outland", "Mutant – Das Grauen im All" und "Der Android". Nicht zu vergessen "2001" und "Silent Running".

Peter L. Opmann 18.02.2017 07:59

Mit meinen Behauptungen stütze ich mich vor allem auf den Dokumentarfilm "Dangerous Days", der aus acht jeweils halbstündigen Teilen besteht.

Wenn ich schreibe, "das war der erste Film...", meine ich damit nicht, daß es vorher nichts Vergleichbares gab (immer schwierig, nichts zu übersehen), sondern daß "Blade Runner" eben den Trend setzte.

Mick Baxter 18.02.2017 10:20

Immerhin sollte man berücksichtigen, daß "Blade Runner" zweimal in die Kinos kam (einer der ersten "Director's Cut".

Schlimme 18.02.2017 10:52

"Blade Runner" war 1982 in den USA auf Platz 27 der meistgesehen Filme:
http://www.boxofficemojo.com/yearly/...yr=1982&p=.htm

In Westdeutschland lag "Blade Runner" auf Platz 21:
http://www.insidekino.com/DJahr/D1982.htm

In Frankreich auf Platz 17:
https://fr.wikipedia.org/wiki/Box-office_France_1982

In Italien auf Platz 13 (1982/83):
http://www.hitparadeitalia.it/bof/boi/boi1982-83.htm

Servalan 18.02.2017 11:46

Zitat:

Zitat von Mick Baxter (Beitrag 541702)
Vorbote von was?

Ein wichtiger Vorbote des Cyberpunk: dystopische Welten mit Anleihen bei der Schwarzen Serie und den expressionistischen Stummfilmen der Weimarer Republik, die von ebenso mächtigen wie bösartigen Konzernen beherrscht werden. Außerdem funktioniert nicht alles wie vorgesehen, so daß die Technik im wahrsten Sinne des Wortes ein Eigenleben entwickelt. Paul Meehan nennt dieses SF-Subgenre Tech Noir.
Dark Star fiel zu sehr in den Bereich Komödie, um wirklich in diese Tradition zu passen.
Mit Spielbergs Minority Report (USA 2002) war das Mainstream geworden, und zudem ergab sich im Rückblick das Subgenre der P.K.Dick-Verfilmung.
Zitat:

Zitat von Peter L. Opmann (Beitrag 541688)
Die allgegenwärtige Werbung, die Vermischung von amerikanischem und ostasiatischem Lebensstil, die Schäbigkeit der Zukunft. Ich glaube, "Blade Runner" hat dem Genre Science Fiction einen Blattschuß gesetzt ("den Todesstoß versetzt" würde es wohl nicht ganz treffen), denn man glaubt seither nicht mehr, daß die Zukunft besser wird. (...)
Die Eingangsszene, in der Rick Deckart versucht, seine Frau dazu zu bewegen, ihre Gefühle manipulieren zu lassen, ist grandios. Aber Ridley Scott und seine Drehbuchautoren Fancher und Peoples haben genau das Richtige getan, indem sie sich aus dem Buch nur ein paar Kernmotive herausgegriffen und daraus etwas Neues gemacht haben.

Aus meiner Sicht lassen sich die Elemente vervollständigen: Blade Runner hat etliche ikonische Bilder, darunter Rachaels Flucht, der nerdige J.F. Sebastian in seinem chaotischen Laboratorium und Roy Battys Monolog über das Tannhäuser Tor ...

Peter L. Opmann 18.02.2017 14:36

Zitat:

Zitat von Schlimme (Beitrag 541709)
"Blade Runner" war 1982 in den USA auf Platz 27 der meistgesehen Filme:
http://www.boxofficemojo.com/yearly/...yr=1982&p=.htm

In Westdeutschland lag "Blade Runner" auf Platz 21:
http://www.insidekino.com/DJahr/D1982.htm

In Frankreich auf Platz 17:
https://fr.wikipedia.org/wiki/Box-office_France_1982

In Italien auf Platz 13 (1982/83):
http://www.hitparadeitalia.it/bof/boi/boi1982-83.htm

Spricht das nun dafür oder dagegen, daß "Blade Runner" - jedenfalls bei seinem ersten Einsatz in den Kinos - eine Enttäuschung war? Es wird gern darauf hingewiesen, daß 1982 sehr viele SF-/Fantasy-Filme gleichzeitig ins Kino kamen, darunter E.T., Conan, Das Ding aus einer anderen Welt oder Star Trek: Der Zorn des Khan. Die nahmen sich gegenseitig die Zuschauer weg.

Servalan 18.02.2017 15:05

Dafür spricht, daß das Genre Science-Fiction und Fantasy Anfang bis Mitte der 1980er Jahre noch nicht mehrheitsfähig war.
Bei Minority Report war das 2002 nicht mehr der Fall. Als Spielberg-Film mit dem Star Tom Cruise sprachen die Leute an, die mit diesem Genre eigentlich nichts am Hut hatten. Die gingen da rein, um den Film ihres Idols gesehen zu haben. Die wären auch reingegangen, wenn Spielberg mit Cruise das Telefonbuch verfilmt hätte.

Ähnlich wie bei Comics wird SF und Fantasy gerne nachgesagt, das wäre Weltfluchtliteratur, die mit dem wahren, echten, wirklichen Leben nichts zu tun hat. Platte, billige Unterhaltung mit Spezialeffekten aus dem Rechner. Das Genre wurde als Nische süffisant belächelt und nicht ernstgenommen.
Solche Vorurteile legen die Leute nicht von jetzt auf gleich ab. Bis das Publikum erkannte, daß es um die Grenzen des Menschlichen, die Grenzen des Menschseins und der menschlichen Erkenntnis ging, das dauerte.


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